CD Kritik Progressive Newsletter Nr.49 (08/2004)

Spastik Ink - Ink incomplete
(58:14, Ayers Rock Management, 2004)

The Mothers Of Speed Convention: Bereits '97 hatten sich Ron Jarzombek (guit: S.A. Slayer, Watchtower, Gordian Knot), sein Bruder Bobby (drms: Riot, Halford) sowie dessen Rhythmus-Spannmann bei Riot, Pete Perez (bss) zu einem Überbrückungsprojekt für Watchtowers ewiglange Schaffenspause und dem Album "Ink Complete" zusammengefunden. Die Aufnahmen zum nun vorliegenden zweiten Album wurden bereits 2002 fertig gemischt, haben also auch schon etliche Jahre auf dem (Alesis Adat-)Buckel, vermögen aber auch Mitte 2004 immer wieder zu verblüffen bis zu verstören. Das Album sticht aus Fluten an Veröffentlichungen durch nahezu sämtliche Merkmale im Guten wie im Schlechten heraus: Genrebreite (soweit feststellbar), exzellente Interpretation, illustre Gästeliste, aber auch durch teils subterranen Sound und billigst gemachtes Artwork. Wie bei der Band des zweiten Watchtower-Gitarristen (nach Gründungsmitglied Billy White) nicht anders zu erwarten, liegt vom ersten Takt an der Fokus auf Spieltechnik. Watchtower hierin nicht unähnlich berauschen sich Spastic Ink zunächst mal daran, das spielerisch vermeintlich Unmögliche doch noch zu realisieren, so anstrengend das für Mitspieler und erst recht unbeteiligte Zuhörer auch bisweilen sein kann. Das geht schon mit dem Opener "Aquanet" los, der mit den Einwahltönen eines Modems anhebt, woraufhin die Band diese Sequenz auf ihren Instrumenten täuschend echt im gleichen Tempo nachspielt - eine Imitationsleistung, die man von Technik und Verrücktheitsgrad sonst grad noch M. IA Eklund (Freak Kitchen) zugetraut hätte. Das Keyboard-Solo auf dieser Shred-as-Shred-can-Nummer sowie auf "Multi-tasking" spielt übrigens kein anderer als Jens Johansson (Ex-Malmsteen, Stratovarius u.v.a.). Bleiben wir noch etwas bei den Gaststars: Obwohl man mit Perez diesbezüglich ja edelst bestückt ist, leisten Michael Manring (u.a. Michael Hedges), Ray Riendeau (Halford), Sean Malone (Gordian Knot, Cynic!) tieftönende Gastbeiträge und Marty Friedman (ex-Metallica, Megadeth) spendet ein Solo für "A chaotic realization of nothing yet misunderstood" (Acronym). Mit einer nennens- und hörenswerten Ausnahme stammen die Lead Vocals vom Wachtturm-Rufer Jason McMaster (aber Watchtower waren ja für brillanten Gesang immer eher unverdächtig). Womit wir also bei den Minuspunkten wären: Der Technikrausch sämtlicher Beteiligter ist wahrlich beeindruckend, geht aber auf Kosten der gebotenen Melodien. Mix- und CD-Mastering bleiben hinter dem interpretatorischen Anspruch weit zurück - etwa der Schlagwerksound auf "Just a little bit" gemahnt weit eher an den eines dieser aufziehbaren Blechäffchen als an Zildjan Cymbals... Wird aber alles gerne verziehen, wenn man dann zu Track 4 gelangt, wo Gastsänger Daniel Gildenlöw (Pain Of Salvation, Flower Kings) gewohnt grandios, wenn auch in für ihn ungewohntem rasenden Stakkato ein Lied über PC-Viren und -Würmer singt, auf das die Welt gewartet hat. Für Zappa-Verehrer wird die Platte u.a. aufgrund des dritten Tracks "Words for nerds" sowie generell den Tempiwechseln auf dem gesamten Tondokument interessant.

Klaus Reckert



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