CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)

Toxic Smile - Retrotox forte
(69:27, Famous Kitchen/Pängg, 2004)

Na, so Menschen mit einem aasig-giftspritzenden "Lächeln" gibt's ja wirklich, beispielsweise unsereinemwelchen begegnen sie leider arbeitstäglich. Und häufig genug stellt sich dann schnell heraus, dass gerade diese mit einem IQ unterhalb dessen von probiotischem Yoghurt gesegnet sind. Hat aber erfreulicherweise alles mit diesen phantastischen Heavy-Proggies nix zu tun, denn die machen blitzgescheite Musik, die dem Prog Metal-Afficionado alsbald ein breites, nicht-toxisches und langanhaltendes Lächeln aufs Gesicht modelliert. Das geht schon mit "Voix Du Passé" los, einer Sahneschnitte von einem Acapella-Intro, auf dem die Vokalgruppe Condé uns vorführt, wie bekiffte Benediktinermönche so in etwa geklungen haben dürften. Der Rest vom Album vermag dieses grandiose Niveau zu halten. Immer wieder begeisternd etwa die unverwechselbare Gesangsstimme von Larry B., dem es gelingt, innerhalb eines Songs vom virtuosen Progmetal-Gestus à la Dream Theater zu purem Satzgesangswohlklang à la Westcoast zu wechseln. Die restlichen Giftlächler Robert Brenner (bss), Marek Arnold (keyb, sax), Uwe Reinholz (guit) und Daniel Zehe (drms) unterstützen diese Ausdrucksstärke und Stilvielfalt souveräner, als man das von einer Leipziger Combo (derzeit) ohne Plattenvertrag erwarten würde. Das Spektrum reicht von piano-dominierten Balladen wie "Escape" oder "Sacrificial flame" über spürbarere Metaleinflüsse (Progpuristen Obacht - auf "Raised" wird sogar gegrunzt! Und dann erinnern sie an ihre Ost-Kollegen von Factory Of Art) bis hin zu nicht zu kategorisierenden Genialitäten wie dem Magnum Opus "Confidence in deception", das von einer fetten Saga-Rhythmusgitarre über knödeligen "Röslein auf der Heide"-Einlagen bis hin zu fiepsigen Blockflöten alles auffährt. Saustarkes Album.

Klaus Reckert



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