CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)

Orphan Project - Orphan found
(59:22, Privatpressung, 2003)

Auch mit Understatement gelingt es zu überzeugen. Bereits im Anschreiben bedanken sich Orphan Project schon fast entschuldigend dafür, dass man sich Zeit für ihre Musik nimmt. So nebenbei wird dann noch eingestreut, dass die eigenen Einflüsse u.a. von Dream Theater, Kansas, U2 bis hin zu Peter Gabriel reichen, was jedoch letztendlich nur sehr geringe Rückschlüsse auf die eigene Musik zulässt. Die persönliche Zuneigung für Orphan Project fußt auf der Tatsache, dass die Amerikaner mit einfachen, aber sehr effektiven Mitteln auskommen, sowohl leicht komplexe Einschläge verarbeiten, hauptsächlich aber auf fast schon ohrwurmverdächtige Melodien und balladenhaften Singer-/Songwriter Stärken vertrauen. Mit etwas gesunder Härte, aber vor allem jeder Menge sinfonischer, leicht glattgebügelter Eleganz und lockerer, melancholischer Rockigkeit finden die Songs von Orphan Project den direkten Zugang zur eigenen Begeisterung. Eingängige, aber keineswegs flache Melodien, die auch nach mehrmaligen Anhören immer noch überzeugen können, geschickt arrangierte Rockmusik (u.a. mit Cello und Geige), die zeitlos, aber nicht angetagt oder angestaubt klingt. Orphan Project sind keine Technikfetischisten, sondern ihre Songschreiberqualitäten sind ein sicheres Pfund, welches sie in die Wagschale werfen. So klingen sie zuerst einmal typisch amerikanisch, locker, relaxt, aber nicht auf Partystimmung getrimmt, zaubern immer wieder feine Melodien, aber auch leicht Vertracktes aus dem Hut. Nach diesem einfachen, aber überaus effektiven und schlüssigen Grundmuster funktioniert fast die komplette Scheibe. Die fast schon einlullenden, stellenweise melancholischen Ideen verfügen über jede Menge Wiedererkennungswert und mit ein paar instrumentalen Ausschmückungen ist dazu begleitend auch eine nachhaltig haften bleibende Verpackung gelungen. So überzeugt "Orphan found" als Gesamtalbum, als in sich schlüssige Songsammlung, die traurige, aber hoffnungsvolle Stimmung versprüht und mit Tiefgang überzeugen kann. Ein tolles Werk im Grenzbereich zwischen handwerklich gut gemachter Rockmusik mit Anspruch und moderat kommerziellem Progressive Rock.

Kristian Selm



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