CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)
OOIOO - Kila Kila Kila
(63:04, Thrill Jockey, 2004)
Was würde Frank Zappa dazu sagen? Do you call it music? Der völlig abgedrehte und erstaunlich stille Krach von "Kila Kila Kila" wurde von, wie konnte es anders sein, japanischen Musikern eingespielt. Dass die Produktion gar in Deutschland erhältlich sein wird, liegt an der gewissen Bekanntheit einer der involvierten Musiker(innen). Yoshimi (voc, g, tr, org, p, key, perc) ist hauptberuflich in der für ihre kühnen Abgedrehtheiten bekannten Combo Boredoms engagiert. In OOIOO arbeitet Yoshimi mit Kayan (g, voc), AyA (b, voc) und Yuka Yoshimura (dr, voc) zusammen. Die nicht wenig übermütige Musik von OOIOO klingt wie ein Rausch aus Psychedelic Core, asiatischem Folk-Matsch und Avantgarde Noise, irgendwie ist das ganze noch im Tempel der Rockmusik untergebracht, aber vergessen wir die Schubladen und Einflüsse und gestatten "Kila Kila Kila" den Titel "eklektisch", denn das trifft es wohl am ehesten. Egal, wie viele Köche sich ihr Teil Avantgarde abschneiden, es bleibt immer noch ein frisches Stück, das der Nächste zu einem ausgefallenen Mahl zubereiten kann. OOIOO erfinden Avantgarde Rock nicht erneut, wie sollten sie. Aber sie definieren ihren Standpunkt sehr ausgefallen, anspruchsvoll und künstlerisch. Epische Motive schlendern vor sich hin, von allerlei seltsamen Vokalexperimenten und scharfen Gitarrensignalen begleitet. Das geht eine Weile gut, bis entweder Tasten oder Schlagzeug zu Veränderung aufrufen, was die Band mit Freude und Lust angeht. Erstaunlich sind die Frische der Ideen, die Modernität des Klanges, die Verdaulichkeit der seltsamen, scharfen Gewürze. OOIOO transportieren allerlei interessante Ideen zu einem eigenen Sound zusammen, umgehen Klischees und Stilnormen. Das gelingt ihnen genauso gut wie einst den RIO-Italienern von Picchio Dal Pozzo. Drei der acht Songs sind sehr lang, die fast schon wieder "neo-klassischen", "ernsten" Kompositionen wirken hier erhabener, von seriöser Künstlerhand erschaffen, trotzdem nicht bieder oder hochnäsig, sondern lebendig, in warmem, geschmeidigen Ton gehalten. OOIOO sind ein Experiment, dem zu begegnen es sich lohnt. Wer Angst vor Verrücktheiten hat, ist nicht bis hier gekommen. Der verbliebene Rest sollte das Ding mal in den Player schieben, wenn die Märkte es herumzuliegen haben. Könnte sein, dass man den Sinn für Realität verliert, wenn man "Kila Kila Kila" aufmerksam zuhört.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2004