CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)

The Amber Light - Goodbye to dusk farewell to dawn
(64:03, Quixote-Music, 2004)

Hoppla! Wer hätte so ein Album aus der deutschen Provinz erwartet? Das aus Wiesbaden stammende Quartett The Amber Light stellt gleich mit ihrem ersten Album "Goodbye to dusk farewell to dawn" eindrucksvoll unter Beweis, dass anspruchsvolle, moderne Rockmusik heute nicht das Produkt urban-metropolischer Klaustrophobie sein muss. Aber vielleicht ist es ja auch nur ein populäres Klischee, dass man aus der destruktiven Umgebung stammen muss, um den Soundtrack für das 21. Jahrhundert abliefern zu können; vielleicht klingt dieses Debüt gerade deswegen so variabel und eben nicht nur beklommen, weil zur Melancholie neben einer gewissen Traurigkeit auch Schönheit und Anmut gehört...und beides kann man in der Provinz ebenso finden, wie in Berlin, London oder New York. The Amber Light vereinen auf "Goodbye to dusk farewell to dawn" die besten Momente von Radiohead (glücklicherweise mit weniger weinerlichen Vocals. Ein Thom Yorke reicht - die Epigonen braucht eh niemand), den späten Talk Talk (etwa die "Spirit of Eden"-Phase), den Szenelieblingen Sigur Rós und einer winzigen Prise Porcupine Tree (gerade so viel, wie man braucht, bevor es langweilig wird), dazu zahlreichen Anleihen an den frühen Artrock (Syd Barrett und Pink Floyd vielleicht) und, last but not least, jeder Menge eigener, überraschender Ideen. Genau hier steht The Amber Light im Gegensatz zu anderen Post-Rock-Bands besser da: Sie zeichnen sich durch non-lineare Kompositionen aus und bleiben somit von der ersten bis zur letzten Sekunde des Albums spannend, zumal ihnen auch nicht der Mut fehlt, auch mal ein paar Zeilen auf Spanisch oder Italienisch zu singen (ohne dass es aufgesetzt oder albern wirkt). Wenn das dann auch noch sehr dicht und stimmungsvoll produziert wird (mit allem Respekt für die früheren quixote-Releases: Dies ist mit Sicherheit die professionellste Veröffentlichung vom Label mit der Windmühle), kann sich das Ergebnis wirklich hören lassen: Epische Musik für den Bauch mit lyrischen Texten und wunderschönen elegischen Melodien.

Sal Pichireddu



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