CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)

Ahvak - Ahvak
(53:22, Cuneiform, 2004)

Machen wir es kurz: wer auf schöne Harmonien oder Wohlklang setzt, kann gleich zur nächsten Kritik weiterspringen. Wer es gerne außergewöhnlich und fordernd mag, eine Faible für überraschende, dissonante Wendungen und Brüche hat und sich außerdem für fast reine Instrumentalmusik begeistern kann, darf gleich den Bestellzettel zücken! Ahvak ist das hebräische Wort für Staub. Mit ihrem Debüt wirbelt die gleichnamige Band jede Menge von demselben auf, lässt kein Sandkorn auf dem anderen liegen, baut lustige Sandburgen, um diese genauso unbarmherzig wieder einzureißen. Wenn dazu noch ein gewisser Dave Kerman (u.a. 5uu's, Thinking Plague, Present) irgendwo mittrommelt, dann weiß man unter Garantie, dass dabei etwas Außergewöhnliches entsteht. So ist der Beitrag, denn der mittlerweile in Israel lebende Amerikaner beim Debüt von Ahvak beisteuert, nicht minder aufregend, als dass, was seine israelische Kollegen im experimentellen Spannungsfeld von R.I.O. und Avantgarde abliefern. Ahvak agieren im Bereich der langsam aufgebauten Spannungsebenen. Diese münden in vielschichtigen, höchstkomplexen Klangkaskaden, die aus unzähligen Tönen und gleichzeitig laufenden Melodielinien bestehen. Der Reiz dieser Musik beruht vor allem auf dem Unerwarteten, den ständigen Brüchen, dem Spiel mit treibenden Rhythmen und klassischer Verspieltheit. Mit Tempoverschärfung und ständigen Dynamiksprüngen entsteht eine unheilvolle Dramatik, die bisweilen cineastisches Format erreicht. Die Band agiert dabei meist als Ganzes, beeindruckt durch ausgefeilte Arrangements, in der sich dennoch keiner der Instrumentalisten (Gitarre, Bass, Keyboards, diverse Blasinstrumente, Schlagzeug) zurücknehmen muss. Verfremdete Klänge, von denen man nie weiß, ob sie nur gesampelt oder von irgendwelchen eigenartigen Klangkörpern erzeugt wurden, sorgen für den avantgardistischen Feinschliff. Just in denen Momenten, wo es den Anschein hat, dass sich Ahvak lediglich frickelig oder von allen Strukturen losgelöst austoben, die Grenzen der Erträglichen aufs Neue ausloten und alles scheinbar endgültig in sich zusammenfällt, prasseln auf einmal spannende, energiegeladene Akkorde auf den Hörer nieder. Ganz überraschend gelingt so etwas, wie ein fast schon versöhnliches Gleichgewicht. Ahvak sind mitnichten leichte Kost. Wer sich aber für Bands vom Kaliber Univers Zero, Present (die letzten beiden Alben produzierte der ebenfalls bei Ahvak hinterm Mischpult sitzende Udi Koomran) oder Thinking Plague begeistern kann, für denn bieten die Israelis einen weiteren Meilenstein an kammermusikalischen, neo-klassischen Rock der ganz anderen Art. Harter Stoff, strukturierter Krach, der begeistert.

Kristian Selm



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