CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)
Campo Di Marte - Concerto Zero Live 1972 / 2003
(31:38 + 43:35, BTF, 2004)
Campo Di Marte gehören zu jenen Bands, die leider nur sehr kurz existierten, aber dennoch einen bleibenden Eindruck hinterließen. 1971 vom Gitarristen Enrico Rosa und Schlagzeuger / Flötist Mauro Sarti gegründet, veröffentlichte die Band aus Florenz 1973 ihr einziges, sehr starkes Album beim Major United Artists, um sich jedoch bereits ein Jahr später wieder zu trennen. Doch manches mal erfährt die Geschichte eine völlig unerwartete Fortsetzung, denn seit letztem Jahr ist die Band mit diesen beiden Gründungsmitgliedern wieder aktiv. Passend dazu gibt es mit "Concerto Zero" jetzt ein jahrzehnteübergreifendes Tondokument, welches Aufnahmen von 1972 und 2003 vereint. Die erste CD enthält einen lediglich etwas über 30-minütigen Livemitschnitt aus dem Jahr 1972, noch bevor Campo Di Marte ihren Plattenvertrag unterschrieben. Die Aufnahmequalität ist in den Bereich "historisch" einzuordnen, sprich hier bekommt man bestenfalls ordentliche Bootlegqualität geboten, muss man sich mit Übersteuerungen, Rauschen, einem recht unausgewogenen Gesamtklang auseinandersetzen. Lauscht man jedoch durch die Störgeräusche durch, gräbt sich tiefer in die Songsubstanz vor, so wird erkennbar, warum Campo Di Marte bei United Artists erfolgreich vorstellig wurden. Die sehr raue Mischung aus jeder Menge expressiven Hard Rock, frühen Progressive Rock, etwas Blues Rock und vor allem ausladenden Soloparts, überzeugt in inhaltlicher Substanz und spielerischer Ausführung. Im Gegensatz zu anderen Bands aus Italien bevorzugten Campo Di Marte eine weniger verspielte, eher direkte Version des Progressive Rock aus Bella Italia. Nur selten schlägt die sonst typisch italienische Komponente mit euphorischen, überladenen Emotionen oder verspielten, lyrischen Momenten zu. Kreischende Gitarren, sorgfältig eingewobene Flöten- und Orgeltöne bestimmen den Sound der Band, der Gesang spielt eher eine untergeordnete Rolle. Mit einem völlig überdrehten Klangchaos enden die Aufnahmen sehr abrupt und unerwartet. Bei den aktuellen Aufnahmen der neuen Besetzung handelt es sich um fast rein instrumentale Liveeinspielungen ohne Publikum, sprich die Aufnahmen wurden direkt und ohne jegliche Nachbearbeitung unter Konzertbedingung auf Tonträger gebannt. Zum Teil wurde das ursprüngliche Material von 1973 neu arrangiert, zum Großteil handelt es sich jedoch um neue Songs, allesamt von Enrico Rosa komponiert. Geblieben ist der mehr direkte Ansatz, der immer noch Inspiration durch Hard und Progressive Rock mit leichten Blues Ansätzen erkennen lässt, jedoch fließen vor allem durch Eva Rosa an diversen Blasinstrumenten mehr klassische, wesentlich pastoralere Einfälle ein. Der Gesamtsound von Campo Di Marto anno 2003 wirkt einerseits folkiger, verspielter, nimmt aber andererseits ebenso relaxte Rock Elemente auf. Dennoch ist eine eindeutige Verknüpfung zu den 70ern offensichtlich, die Interpretation des Quintetts klingt somit zwar nach Vergangenheit, bietet aber keineswegs nur verstaubte Zitate. Als Bonus bekommt man noch einen von Videokamera aufgenommenen Livetitel des Reunionkonzertes, der aber vom Sound her leider ebenfalls in die Kategorie grausiger Bootleg einzuordnen ist. Rein von der Laufzeit her, hätte das gesamte Material dieses Doppelalbums locker auf eine CD gepasst, Campo Di Marte entschieden sich aber wohl aufgrund der historischen Trennung für 2 CDs. Entschädigt wird man dafür durch eine ansprechend gestaltete Verpackung des digitalen Doppelpacks. Zwei Booklets mit ausführlichen Erklärungen in englisch zur Entstehung der einzelnen Aufnahmen, diverse Bilder und ein in Mini LP Format, aufklappbarer Pappschuber geben dem Inhalt ein vorzügliche Heimat. Bleibt abzuwarten, ob in absehbarer Zeit vielleicht doch noch ein reguläres Studioalbum hinterhergelegt wird. Auf jeden Fall gilt: Campo Di Marte sind zurück!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2004