CD Kritik Progressive Newsletter Nr.47 (02/2004)

Talisma - Corpus
(43:01, Unicorn Records, 2003)

Übung macht den Meister. Viel zu oft passiert es, dass eine Band, gleich nach dem sie die ersten Songs im Kasten hat, überhastet eine CD Produktion auf die Beine stellt, der dann die inhaltliche Tiefe und musikalische Reife fehlt. Talisma gingen den in dieser Zeit eher anachronistischen wirkenden Weg. Die Band wurde bereits 1993 vom Multiinstrumentalisten Donald Fleurent im kanadischen Quebec gegründet, veröffentlichten bisher aber lediglich zwei Demos, wobei die letztere Aufnahme aus dem Jahr 1999 bereits durch die Zusammenarbeit mit Jazzmusikern, eine interessante Melange zwischen Rock, Progressive Rock und Jazz Rock zu Tage beförderte. Mit ihrem CD Debüt "Corpus" gehen Talisma noch einige Schritte weiter. Auch wenn gerade der Beginn des Albums sehr im aktuellen King Crimson Fahrwasser gehalten ist, besonders das groovige Bass-Spiel und die verquere Melodik als Vergleich herangezogen werden kann, ohne dabei jedoch zu arg ins Technische abzugleiten, schöpft das rein instrumentale Trio im weiteren Verlauf der CD aus einem mannigfaltigen Fundus der Stile. Ob Rock, Jazz Rock, leichte Metal Tendenzen, klassische Elemente, Soundscapes, Latin Einfluss - so gegensätzlich die Stile auf den ersten Blick zu sein scheinen, bei Talisma entsteht daraus eine spannende Interaktion der verschiedenen Ursprünge, die aber letztendlich über so etwas, wie einen roten Faden verfügen. So kommen die 15, wenig ausschweifenden Songs, zum einen sehr konzentriert auf den Punkt gebracht daher, zum anderen verzichten die Kanadier auf zu ausufernde Soloausflüge. Der kompakte, auf sich bestens eingespielte Bandsound ist sicherlich einer der großen Pluspunkte dieser Produktion. Wie bei so vielen Instrumentalscheiben, gibt es bisweilen inhaltliche Verschleißerscheinungen, hätte vielleicht eine Gesangsstimme hier und da gut getan. Sich dieses Makels bewusst, wählen Talisma einen Zwischenweg, denn Gastsängerin Nathalie Renault darf bei einigen Songs lautmalerische, leicht südamerikanisch swingende Melodielinien einbringen. Durch die verschiedenen Inspirationsquellen gelingt dem Trio aus den französisch-sprachigen Teils Kanadas sehr viel inhaltliche Abwechslung, entdeckt man immer wieder neue Nuancen im der verspielten Interaktion. "Corpus" klingt modern, ohne angepasst zu wirken, vielschichtig, ohne zerfasernd daherzukommen - letztendlich eine gute bis sehr gute, locker ausbalancierte Instrumentalscheibe, die fast vollständig auf Instrumentalorgien verzichtet.

Kristian Selm



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