CD Kritik Progressive Newsletter Nr.47 (02/2004)

Soft Works - Abracadabra
(60:17, Tone Center, 2003)

Lange angekündigt, erscheint "Abracadabra" von Soft Works jetzt endlich. Erstaunlicherweise jedoch nicht, wovon bisherige Informationen ausgingen, auf dem Moonjune-Label, sondern auf Tone Center. Jedoch mit dem Hinweis: "licensed from Moonjune", vermutlich hat Moonjune die Veröffentlichung abgegeben, weil abzusehen war, dass das kleine, feine Label nicht genügend finanzstark war. Hinter Soft Works stehen 4 alte Knaben, die einst unter Soft Machine firmierten: Elton Dean (saxes, p), Allan Holdsworth (g, synthaxe), Hugh Hopper (b) und John Marshall (dr). Aufgenommen im Juni 2002, ist den Songs anzumerken, dass seit Soft Machine viel Zeit ins Land gegangen ist. Die 8 Songs sind wohl ausgeklügelte, fabelhafte, jazzinspirierte Kompositionen, die seltenst mal ein Quentchen Rock zum Laufen bringen. Das ist an sich kein Manko, ist das Quartett doch zu nichts verpflichtet, aber die Produktion als Jazzrock zu verkaufen, wie im Pressetext zu lesen, trifft es einfach nicht. Das Alter hat sich nicht nur in die Gesichter der Musiker geschlichen, es hat sich auch in den Nerven festgesetzt und verlangt ein gewisses Maß an Stille und Lyrik, zudem sind die Musiker längst keine aufgeregten jungen Männer mehr, deren Hormone sie zu emotional-radikalen Ausbrüchen herausfordern. Die älteren Herren sind technisch, stilistisch und kompositorisch ausgezeichnete Musiker, die ihre Fähigkeiten in diese Zusammenarbeit gut einzubringen wussten. John Marshall trommelt zumeist einen härteren, federnden Swing, von Ruhepol Hugh Hopper homogen unterstützt. Elton Dean, zu größter Aktivität verpflichteter Saxophonist, der hin und wieder zum Saxello oder in die Tasten seines elektrischen Pianos greift, entwickelt die melodischen Läufe, improvisiert, soliert und forciert den Ablauf des Geschehens durch konkretes, lyrisch-melancholisches Spiel. Allan Holdsworth, vernarrt in seine Synthaxe, bringt ständig fast New Age-mäßig gehauchte Töne ins Spiel, die trotz aller Dünne und nüchternen Kühle nicht kalkuliert oder blass klingen, sondern dem Saxophon einen melodisch notwendigen Gegenpol bieten. Darüber hinaus soliert er an der elektrischen Gitarre mitreißend, wenn auch zurückgenommen und stiller als je zuvor. Natürlich gibt es Ausnahmen, so kann ein Stück doch mal etwas heftiger und erregter werden, was vor allem am kraftvoll vitalisierten Rhythmus-Geschehen liegt, das die Themen aufheizt und dynamisiert, und an Elton Dean, der in schnellen Saxophon-Soli die Energie der Komposition herausfordert. Wenn dann Allan Holdsworth zu einem "härteren" Solo ausholt, kommt eine Ahnung davon hoch, was die ungestüme Kraft von Soft Machine vor 30 Jahren ausgemacht hat. "Willieïs knee" ist ein grooviger Popsong, der Jazzrock-typische Harmonien lässig transportiert, nette Idee, die auch nötig ist, um die Kühle und den Ernst von "Abracadabra" abzubauen und die versachlichte Musiksprache emotional anzuregen. Leider reichen die erregten Passagen, reicht dieser Song nicht aus, "Abracadabra" wirklich lebendig zu machen. Jazz-Puristen werden Soft Works wegen ihrer Stille und Melancholie lieben, die Rock-Fraktion wird damit weniger anfangen können.

Volkmar Mantei



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