CD Kritik Progressive Newsletter Nr.47 (02/2004)

Dream Theater - Train of thought
(69:24, Elektra, 2003)

Nachdem sich Dream Theater auf ihren letzten beiden Alben teilweise mehr den sinfonischen, progressiven Elementen zugewandt hatten, ist "Train of thought" eine Rückkehr zu alter bzw. neuer Härte. Konsequent wird fast völlig auf ruhige Zwischentöne verzichtet, die übliche Ballade ist mit dem knapp 3-minütigen "Vacant" lediglich in einem rudimentärer Ansatz vertreten, ansonsten gibt es das volle Metal Brett. Wer bereits mit der 94er Veröffentlichung "Awake" aufgrund des erhöhten Härtegrades seine Probleme hatte, sich mit "The glass prison" vom letzten Output nicht anfreunden konnte, bekommt auf "Train of thought" noch mehr schwerverdauliches, geradezu erschlagendes Futter auf die Lauscher. Die Heavy Fraktion wird zu Recht sicherlich restlos begeistert sein, der Prog Fraktion wird ein gehöriges Maß an Toleranz für heftige Töne abverlangt. Dennoch ist "Train of thought" weit davon entfernt als simple Hau-Drauf Scheibe durchzugehen. Sicherlich findet man einige Nu Metal Elemente wieder, wie z.B. den verzerrten Gesang von James LaBrie, den griffigen Brachialriffs, gibt es weiterhin einige Reminiszenzen an Metallica, doch Dream Theater bewegen sich fast ausschließlich im zweistelligen Minutenbereich in ihren Songs, was ihnen Raum für Breaks, Taktwechsel, ausgiebige Soloeskapaden in wahnwitzigem Tempo und überraschende Wendungen gibt. Viel klingt immer noch typisch nach Dream Theater, dennoch benötigt man einige Durchläufe, um die inhaltliche Tiefe des Albums komplett zu durchdringen. "Train of tought" setzt zwar anfangs auf dem letzten Album "Six degrees of inner turbulence" auf - der Anfangsakkord ist dem Vorgänger entliehen, sowie "This dying soul" die Fortsetzung von "The glass prison" darstellt - doch ist die Grundstimmung dieses mal eher düster, metallischer angelegt, die inhaltliche Ausrichtung eine komplett andere. Passend dazu das schlichte, künstlerisch anspruchsvolle schwarz-weiß Artwork ohne irgendwelchen Schnick-Schnack. "Opfer" der neuen Härte ist vor allem Keyboarder Jordan Rudess, der nur noch selten in den Vordergrund dringt, zum Teil sogar seinen Tasten auch noch Gitarren-ähnliche Sounds entlockt. Ansonsten setzt sich vor allem die Frickelfraktion um Gitarrist John Petrucci, sowie "ich-spiel-mal-lieber-ein-paar-Wirbel-mehr" Drummer Mike Portnoy deutlich in Szene. Logisch, dass die beiden auch gleich noch das Album produzierten. Überraschender Gewinner dieses Albums ist dennoch James LaBrie, der sich mit seiner Stimme sehr gut in die Songs einbringt, ihnen eine wirkliche Seele verleiht, sowie teilweise mit verfremdeten Gesang eine völlig neue Note verpasst. Bassist John Myung geht zwar nicht mehr ganz so gnadenlos im Mix unter, wie auf früheren Aufnahmen, aber dennoch könnten seine formidablen Saitenkünste ruhig etwas mehr im klanglichen Vordergrund stehen. Neben diesen Nebengeräuschen, liegt der instrumentale Mix komplett im grünen Bereich, zeigt einmal mehr, welch Bandbreite diese Ausnahmemusiker zwischen einfach Riffs und virtuoser Technik ohne überdrehten Selbstbeweihräucherungstrieb drauf haben. Wer mehr auf die ruhigen Parts, die sinfonische Seite von Dream Theater steht, wird mit "Train of thought" nicht glücklich werden. Bei einem Grundverständnis für erhebliche Härte ist dieses Album jedoch ein absolut erbaulicher Hörgenuss, der Dream Theater von der mehr metallischen Seite zeigt. Keineswegs ein Album für jedermann, aber auf seine Art absolut faszinierend und mitreißend, auch wenn man dafür etwas Geduld beim mehrfachen Anhören benötigt.

Kristian Selm



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