CD Kritik Progressive Newsletter Nr.46 (10/2003)
Thinking Plague - History of madness
(55:20, Cuneiform, 2003)
Cuneiform nennt es schlichtweg Rock. Thinking Plague gehören zu jenen Bands, die in jeglicher Hinsicht die anhörbaren Grenzen der Rockmusik aufs Neue ausloten, einem kontinuierlich die Gehirn- und Ohrwindungen verdrehen. Das ist zeitweilig spannend, des öfteren sehr anstrengend, aber auf die gesamte Spielzeit von "History of madness" betrachtet, ein wirkliches lohnendes Hörereignis, sofern man ein Faible für Schräges, nicht gerade einfach zu erschließende Harmonien und Sperriges hat. Bandleader, Gitarrist und Hauptkomponist Mike Johnson spielt permanent mit Stilen und Stimmungen, innere Brüche, stete Unbestimmtheit sind ein fester Bestandteil seiner ausgezeichnet funktionierenden Mannschaft. Mit den beiden Soundscapes "War on Terra" und "Le gouffre" betritt er zudem dieses mal völlig musikalisches Neuland für ihn. Ansonsten funktioniert der komplexe Mix aus Jazz Rock, extremen Progressive Rock, Experimentalmusik und kammermusikalischen Elementen ausgezeichnet. Anstrengend bleibt dabei die Anforderung, sich sofort zurechtzufinden, denn dies ist schlichtweg unmöglich. Sperriges steht neben kraftvollen Progressive Rock Passagen, die zuweilen Erinnerungen an King Crimson wecken, flüchtige Jazzexkursionen wirken unbestimmt, bevor bombastische, hinreißend euphorische Momente, für die bisweilen die schwere Seite von Yes Pate standen, für Balance sorgen. "History of madness" erzählt seine ganz eigene Geschichte von Verrücktheit. Es ist die Musik, die hier in doppelter Hinsicht ver-rückt wurde. Ob jeder verrückt ist, der sich so etwas anhört, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall: keine Liebe auf den ersten Blick, pardon das erste Anhören.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2003