CD Kritik Progressive Newsletter Nr.46 (10/2003)
Pineapple Thief - Variations on a dream
(63:00, Cyclops, 2003)
Das Leben ist manchmal so ungerecht. Da werkelt eine Band fröhlich und ambitioniert im Untergrund, legt im Falle von Pineapple Thief mit ihrem dritten Album "Variations on a dream" ein wirklich ausgeklügeltes Album mit hinreißenden Songideen vor, doch da man eben bei einem kleinen Proglabel mit wenig bis gar keinem Geld für Promotion unter Vertrag steht, wird diese Scheibe wieder mal am Großteil der Menschheit vorbeigehen. Ungerecht vor allem darum, da diese Scheibe wirklich kommerzielles Potenzial im positiven Sinne hat, deswegen schon ein größeres Publikum verdient hätte, und aufgrund der Qualitäten der Musik und dem momentanen Zeitgeist mit Bands wie Radiohead, Smashing Pumpkins oder Coldplay, auch mühelos erreichen würde. Schade, schade! Bleibt eben nur die Hoffnung, dass diese Kritik immerhin im kleinen Maße Pineapple Thief fördert und das berechtigte Interesse an "Variations on a dream" weckt. Den Briten ist es ohne Umschweife gelungen, auf ihrem aktuellen Longplayer, das zu vereinen, was sie auf ihren ersten beiden Alben bereits vorbereitet haben. Schon dort ließ sich erahnen, wohin die Reise einmal gehen würde. Vor allem die Songschreiberqualitäten, die Klasse in der Kompaktheit der Ideenzusammenführung, zieht sich wie ein roter Faden durch alle neun Songs des aktuellen Outputs. Während man im ersten Teil noch mehr im ruhigen, melodischen, aber keineswegs schlichten Alternative Rock Bereich wandert, beeindrucken hier vor allem die trefflichen Melodien, die auf den Punkt gebrachten Strukturen. Schon beim ersten Hördurchgang bleibt einiges hängen, was dennoch nach mehrmaligen Genuss keineswegs nur als schaler Nachgeschmack wiederhallt. Mastermind Bruce Soord (Gitarre, Gesang, Keyboards) verschmilzt in formidablen Spiel und Gesang vor allem mit den mannigfaltigen Tastensounds (Mellotron, Rhodes, Hammond, Piano, Synthesizer) zu einer kompakten Einheit. Nichts klingt hier trotz antiken Instrumentariums angestaubt oder retro, vielmehr verfolgen Pineapple Thief einen sehr modernen Ansatz, bei dem packende Melodien und Atmosphäre im Vordergrund stehen. Im zweiten Teil des Album bekommen dann auch die Proggies genügend Futter, allen voran im über 16-minütigen, das Album abschließenden "Remember us", einem zeitgemäßen Longsong. Ein passender Titel zudem, denn an ihn wird man sich aufgrund der inhaltlichen Wiederholungen und eindringlichen Gesangsparts garantiert erinnern. Aber auch das fulminante "Part zero" wandert ganz im selben Geiste und erinnert von der Grundausrichtung und stilistischen Verbindung an eine Band mit den gleichen Buchstabeninitialen: Porcupine Tree. Hier soll aber nicht die Rede von billigem Plagiat oder Abkupfern sein, sondern Pineapple Thief nehmen nur den Ansatz der Kollegen von den britischen Inseln auf, setzen Progressive Rock, härtere Gitarren und elegischen Keyboardsound zu etwas eigenem zusammen. "Variations on a dream" ist ein modernes Album, das aber dennoch die 70er Jahre klanglich nicht außer Acht lässt. Pineapple Thief haben mit diesem Album ihr vorläufiges Meisterwerk abgeliefert. Wer seinen Prog zeitgemäßer mag, kommt an dieser vortrefflichen Songsammlung nicht vorbei - äußert gelungen, wunderschön und einfach empfehlenswert!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2003