CD Kritik Progressive Newsletter Nr.46 (10/2003)
kRé -Ruida doméstico
(52:14, Musical Mind, 2002)
kRé ist nicht nur ein ungewöhnlich geschriebener Name, dahinter steht genauso ungewöhnliche Musik. Die Venezuelaner Rubén DïHers (g, p, key, cel, perc, vi), Raúl Monsalve (b, synth), Hugo Marmol (dr, perc), José Gutierrez (key, synth), Pablo García (sax) und Anna Rosa Rodríguez (cel, voc) haben sich dem avantgardistischen Jazzrock verschrieben. Nichts konnte sie hindern, ihre komplexe und anspruchsschwere Musik untypisch, vital und eigen zu inszenieren. Der harte vordergründige Rhythmus setzt auf kräftige Funk-Figuren, worauf das Saxophon Jazz-Phrasierungen setzt. Die Gitarre, oft eher unauffällig, lässt sich schon mal locken, wild ins Geschehen einzugreifen und zur Cello-Schwermut düster-brachial zu solieren. Die Keyboardfraktion gibt am fantastischen Fender Rhodes disharmonische Jazzrock-Läufe von sich oder entwirft wie im Titeltrack ambiente Soundgebilde, die schwer düster und doch milde und melancholisch klingen. Humor beweisen kRé in "Champignón", wenn sie das folkloristische Motiv akustisch und geradezu fröhlich geben. Natürlich bleibt da die radikale Verfremdung und Zerstörung des Themas nicht aus. Kein Song bleibt hinter den anderen zurück, die Ideen sind ansprechend und ausdrucksvoll und emotional gespielt worden. Erstaunlicherweise, trotz der Orientierung auf harte, düstere Musik gehen kRé oft still und verhalten vor, nehmen sich zurück und entwerfen episch-dramatische Motive. Zumeist brechen diese Motive grandios aus, bersten in wüsten Soli und instrumentalen Schlachten, um zum Ende schließlich wieder lyrisch-still zu fließen. Die komplexen Zwischenparts sind es auch, die an King Crimson (71-74), Anekdoten und Artverwandtes erinnern. Gerade im abschließenden "Ornamente" wird dies deutlich, wenn über dem Jazz-Rhythmus neben den großen epischen Motiven viele kleine Disharmonien, radikale Brüche, emotionale Wechsel und intensive Soli den Song lebendig machen. Ein wunderbares Werk, in all seiner Verhaltenheit sperrig und launisch wie ein alter Ziegenbock. Immer wieder gehen kRé über Stilgrenzen hinweg, wenn sie ambiente Sounds mit lärmigem Noise verbinden, progressive Komplexitäten mit disharmonischen Jazz-Figuren vereinen oder ungewöhnliche, abstrakte Tonalitäten flechten, die sich betörend um die Sinne schlingen. Old School und Avantgarde Freaks können schon mal die Ohren frei machen.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2003