CD Kritik Progressive Newsletter Nr.46 (10/2003)

Fulano - Trabajos inútiles
(41:20, Record Runner, 1997)

Immer wieder erstaunlich, wie differenziert und vielschichtig sich die Szene in Südamerika präsentiert. Die Brasilianer mögen's gerne samtweich und schwülstig, die Argentinier legen lieber noch eine richtige kräftig Schippe drauf, aber besonders in Chile geht es musikalisch richtig gut ab, dominieren die extremeren Spielarten. Leider dringt davon noch viel zu wenig nach Europa durch, was wirklich jammerschade ist. Besonders gilt dies für die Mehrzahl der chilenischen Bands, die ausnahmslos hervorragende musikalische Kost und spielerisches Können vereinen. Nahtlos kann man diese Aussage für Fulano fortsetzen, einer sechsköpfigen Formation, die aus der Hauptstadt Santiago de Chile stammt. Die Geschichte der Band geht zurück bis in die Mid 80er, wo man sich in der alternativen Studentenszene der Hauptstadt traf und seine ersten Meriten erntete. Die spielerische Qualität und die rohe, aber ebenso wunderbare Mixtur aus expressivem Jazz Rock mit kammermusikalischem, progressivem Einschlag, sprach sich selbst bis in ferne Kuba herum. Dort wurde man 1990 zum Cuba Jazz Festival eingeladen, in dessen Rahmen ebenfalls Jazzgrößen wie z.B. Dizzy Gillespie auftraten. Das nun vorliegende "Trabajos inútiles" stammt bereits aus dem Jahr 1997, ist das insgesamt vierte Album von Fulano, wurde aber vom namhaften brasilianischen Prog Label Record Runner dieses Jahr remastert und mit einem Bonustrack wieder neu aufgelegt. Neben der sehr dominanten Brass Section mit aller Gebläse und Geflöte (Klarinette, diverse Saxophon und Flöten) ist vor allem der unheimlich wandlungsfähigen Stimme von Sängerin Arlette Jequier vorbehalten die fast uneingeschränkte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ob Scatgesang, expressive Schreie oder schmachtendes Geflüster, diese Frau hat mühelos und in einer unglaublichen Lockerheit die gesamte gesangliche Palette drauf, wobei sie ihre absolut beeindruckende, unglaublich emotionale Stimme zuweilen mehr als Instrument, denn als gesangliche Begleitung einsetzt. Ihre männlichen Kollegen müssen dagegen unfreiwillig zurücktreten, ohne sich aber verstecken zu müssen. Ob komplex oder lässig, sperrig oder verträumt, die Spielarten und Stimmungen des Sechsers wechseln geschickt und ungekünstelt, die Band ist sichtlich hörbar überall zu Hause. Gerade dadurch, dass komplexes Material mit coolem Groove wechselt, wird das Überdrehte wieder auf ein Normalmaß relativiert, sind die lockeren, wunderschönen Passagen aber dennoch kein Füllmaterial oder Gegensatz. Fulano spielen keine Barjazz Mucke, sie sind ebenfalls meilenweit davon entfernt, als reine Improvisationsmaschinerie in die Leere zu rattern. Ihr Spiel hat Groove, wirkt funky, rockt bisweilen, kann sich aber ebenso in Schönheit entfalten. Die sprudelnde Ideenvielfalt ist dennoch konsequent in ein lockeres, aber bestimmtes Korsett eingerückt. Fulmidabel! Bleibt zuletzt die Hoffnung, dass sich hoffentlich ein paar europäische Mailorder für den Vertrieb in unseren Breiten finden.

Kristian Selm



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