CD Kritik Progressive Newsletter Nr.46 (10/2003)

Elvira Madigan - Witches
(62:10, Black Lodge, 2001)

Warum den Aufwand betreiben und sich Mitmusiker suchen, mit denen man sowie nie einer Meinung ist? So oder so ähnlich dachte sicherlich Marcus Hammarstrom, nachdem er drei Jahre das interne Chaos bei einer Heavy Metalband in der Umgebung von Stockholm durchleben durfte. Diesen Erlebnissen überdrüssig; nahm er einfach alles selbst in die Hand: Songwriting, Instrumente, Produktion und grafische Umsetzung und schon wären wir ganz elegant bei Elvira Madigan, deren Namensgeberin im 19.Jahrhundert eine bekannte Hochseilkünstlerin war, aber wohl nur sehr wenig mit der leicht bekleideten Schönheit auf dem Cover des aktuellen Werkes zu tun hat. "Witches" ist die zweite Veröffentlichung des schwedischen Einmannprojektes, an der Marcus Hammerstrom mehr als zwei Jahre arbeitete, bis er letztendlich mit den Endresultat zufrieden war. So ist das eben: völlige künstlerische Freiheit und Eigenverantwortung, komplette Kontrolle über alles - aber warum denn auch nicht, wenn man sich schließlich selbst gehörig unter Druck setzen kann? So extrem der Ansatz der Eigentyrannei, so extrem die Musik, die nicht von ungefähr mit den Genres Avantgarde, Black, Death und Thrash Metal beworben wird. Wobei man keineswegs unterschlagen sollte, dass dazu eine ganz gewaltige Portion sinfonischer Bombast mit progressiven Ansätzen hinzukommt und genau dies, macht dieses Album für die Leser dieser Gazette durchaus interessant. Eine eindeutige Zuordnung bleibt schwierig, atmosphärische Black Metal Parts gehen über in aggressives Hochgeschwindigkeitsgeknüppel, sinfonische Keyboardbreitwandteppiche kämpfen mit überdrehtem "Gesang" um die Gunst des Zuhörers. Auch wenn die Tasten vor allem als stimmungsschaffender Unterbau eingesetzt werden, so treten sie ebenso des öfteren aus ihrer reinen Hintergrundrolle vor, auch wenn die Gitarre stakkatoartig gekloppt wird, so gibt es ebenfalls wunderbar akustische, ebenso verspielte Parts voll innerer Schönheit. Gleiches gilt für den Gesang. Abwechselnd in englisch und meist in schwedisch, reicht die Palette von richtiger Vokalakrobatik bis hin zu Gekreische und Gegrunze in seinen irrsinnigsten Niederungen. Einzig das programmierte Schlagzeug und der manchmal überdrehte Pathos geht einem in einigen Passagen etwas arg auf die Senkel. Trotzdem: eine äußerst interessante Symbiose, die sich mehr auf die sinfonische, bombastische Seite schlägt, man aber keineswegs leugnen darf, dass man als Hörer überdrehte metallische Extreme vertragen sollte. Macht wirklich Laune!

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2003