CD Kritik Progressive Newsletter Nr.46 (10/2003)

Cast - Al-bandaluz
(47:42 + 48:28, Musea, 2003)

Ja ist denn schon wieder Weihnachten? Eine neues Album von Cast, juchee! Nachdem die Mexikaner Anfang der 90er einen beeindruckenden, von der Anzahl schon fast erschreckenden CD Ausstoß zu vermelden hatten (es mussten ja schließlich, nachdem man endlich über die finanziellen Möglichkeiten verfügte, alle Aufnahmen aus der langen Bandgeschichte aus den 70ern und 80ern digital aufgearbeitet werden), wurde es in letzter Zeit veröffentlichungstechnisch etwas ruhiger um die Mannen um Tastenwizard Alfonso Vidales. Ganz im Gegensatz zu seinen anderen Aktivitäten, da er sich mit weiterhin wachsendem Erfolg der mehrtägigen Veranstaltung des jährlich stattfindenden Baja Prog Festival in seiner Heimatstadt Mexicali widmet. Drei Jahre nach dem letzten Studialbum "Legacy", liegt mit "Al-bandaluz" gleich die doppelte Packung an neuer Musik vor. Nun gut, bei rigoroserer Vorgehensweise hätte eine Einfach-CD von der Spiellänge her locker gereicht, aber Schwamm drüber. Wenn man es zuerst nicht unbedingt glauben mag, es hat sich einiges bei Cast verändert. Das fängt bei der Besetzung hat, wobei die beiden Hauptakteure - Alfonso Vidales an den Tasten und Francisco Hernández an Gitarre und Gesang - weiterhin integraler, immer noch sehr prägnanter Bestandteil der Band sind. Vor allem der virtuose Keyboardüberhang, der leicht klassische Einschlag ist keineswegs von der Hand zu weisen. Die Veränderungen gehen dafür weiter mit der Sprache, denn endlich wurde das etwas brüchig wirkende englisch über Bord geworfen und man singt in den wenigen Gesangspassagen inzwischen komplett in spanisch, was wesentlich authentischer herüberkommt. Nur darf man immer noch nicht vokale Sonderleistungen erwarten. Schließlich gehen die Neuerungen weiter bei der Musik. Die Grundausrichtung selbstverständlich noch immer sehr sinfonisch, melodisch und im Mid- und Up-Tempo Bereich ausrichtet, auf lange, verspielte Instrumentalteile muss man ebenfalls nicht verzichten. Doch als neuer Bestandteil kommt gelegentlicher Einsatz vom Saxophon, sowie ein leichter Hang zu komplexeren Material hinzu, während die zweite CD bisweilen nach "weniger ist mehr" klingt, mit heruntergeschraubter Instrumentierung, aber ebenso ausufernden Jams, mehr auf Atmosphäre setzt. Die südamerikanische Leichtigkeit leidet keineswegs darunter, vielmehr ist es Cast gelungen, mit einer aggressiveren, vertrackteren Note, ihre Songs interessanter und vielschichtiger zu gestalten. Trotz aller Änderungen: "Al-bandaluz" geht dennoch sofort als typisches Cast-Album durch. Selbst wenn die Ursprünge der Mexikaner bis zurück in die 70er gehen, so ist dennoch ein neo-progressiver Einschlag, eine leicht geradlinigere Grundausrichtung, deutlichstes Merkmal im typischen Cast Sound. Mit sprunghaften, aber schlüssigen Wechseln, gibt die Band mächtig Gas, es kommt trotz epischer Songlängen somit keineswegs Langeweile auf, ohne dass die Herren aus Nordmexiko irgend etwas grundlegend Neues erfinden. Der Vorwurf, dass einiges bei Cast im internen Vergleich recht ähnlich klingt bzw. wirkt, trifft in gewissem Maße auch auf "Al-bandaluz" zu. Dennoch hat sich die Band inzwischen auf ein ansehnliches Niveau gesteigert und eingespielt, auch wenn gerade auf der zweiten CD einige Passagen zu langatmig geraten sind. Egal: wer's sinfonisch und nicht gerade nur butterweich mag, dabei keineswegs englische Vocals benötigt, für den sind Cast wieder mal eine gute Empfehlung wert.

Kristian Selm



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