CD Kritik Progressive Newsletter Nr.46 (10/2003)

Glenn Branca - The ascension
(42:13, Acute, 2003)

Zu Beginn der Achtziger Jahre, als die Rockmusik der Siebziger Jahre verkitscht und die großen Bands von einst ausgelaugt waren, zog es eine Menge moderner Rock / Jazzmusiker in den No Wave. No Wave war eigentlich eher ein Sammelbegriff für alles, was sich zwischen Punk und Jazz abspielte, als ein konkreter Stil. Alles mögliche und unmögliche tummelte sich dort und eine Menge grundverschiedener Bands machte in No Wave. Das reichte von späten Jazzrock-Rudimenten über Soul bis zum Freejazz über alles, was irgendwie abstrakt, schräg und modern war. Die Achtziger Jahre nivellierten den Rhythmus, Punk und New Wave verhalfen dazu, aber auch die aufkommende elektronische Technik. Plötzlich peitschten die Drums überall und der warme analoge Sound war out. (Wir können von Glück sagen, dass das Jahrzehnt - schlussendlich - so rückstandslos vergangen ist.) Junge Musiker wuchsen in die Szene, geprägt vom Jazz der frühen Sechziger, den Dead Kennedys und Henry Cow (deren Fred Frith stürmisch bei der Sache war!). Glenn Branca war ein Gitarrenmaniac, ein Süchtiger, der vom Klang dieses Instrumentes nicht genug bekommen konnte (und später ganze Gitarrenorchester auf die Bühne stellte, um den simpel-komplizierten Minimalismus-Krach gewaltig dröhnen zu lassen). "The ascension", frisch restauriertes Werk aus dem Jahr 1981, war das Debüt des Gitarristen. 4 Gitarristen, neben ihm Ned Sublette, David Rosenbloom und Lee Ranaldo brasseln durch die 5 teilweise sehr langen Stücke der CD. Bass und Schlagzeug sind auch besetzt, halten den Rhythmus auf Trab. Glenn Branca war begeisterter Fan der Minimalisten Philip Glass und Steve Reich, genauso süchtig war er nach den Ramones. Und so klingt seine Musik auch. Zwar ist es für die damalige Zeit ungewöhnlich, dass die Stücke so lang sind, aber das hat seinen Grund im minimalistischen Arrangement. Wenig ändert sich melodisch in den Songs, die Melodiemuster verschieben und überlappen sich, strecken sich gegen das rhythmische Grundmuster und machen den Eindruck, ein großes Orchester würde zu großem Krawall anheben. Gleichzeitig zum komplizierten Aufbau klingt das Resultat avantgardistisch streng und simpel. Es sollten keine komplexen Strukturen geschaffen werden wie 10 Jahre zuvor im Progressive Rock, sondern vitaler Lärm auf rhythmischer Basis der 80er. Über Jahre hat Branca sein Konzept so und ähnlich beibehalten. Nicht nur innerhalb der No Wave Szene wurde er ein bekannter Musiker. Auch wenn seine schier auf der Stelle tretenden Lärm-Orgien heute teils seltsam anmuten, ist "The ascension" doch keineswegs uninteressant. Der Minimalist Branca zeichnete gern völlig strukturfreien Lärm, indem er seine Gitarre malträtierte wie einst Hendrix. Melodisch völlig anders orientiert, aber doch auf der Suche nach Musik jenseits des Mainstreams. Prog Freaks werden sich damit nicht anfreunden können, es sei denn, ihr Hang zur Avantgarde ist besonders ausgeprägt.

Volkmar Mantei



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