CD Kritik Progressive Newsletter Nr.45 (08/2003)

Shub Niggurath - Testament
(72:43, Gazul, 1994)

Wie weit geht die Avantgarde, um sich vom Hörer zu lösen? Shub Niggurath galten in der Szene ohnehin schon als sperrige, schwierige, fast unhörbare Band. Mit dieser posthumen Veröffentlichung stellen sie allerdings alles in den Schatten, was sie bisher in dieser Richtung veröffentlicht haben und man wird es schwer haben, überhaupt eine vergleichbare Referenz zu finden. Dunkel und düster waren und sind sie ja immer, doch auf "Testament" ist Musik auf das Unkenntliche reduziert, hier regiert der rohe Klang. Statt der sonst nahestehenden Univers Zero, Magma oder King Crimson scheinen fast Underground-Industrial-Sounds wahllos aneinander gereiht worden zu sein. Schon beim ersten Stück fiel mir als Referenz eher die Industrial-Helden von Coil ein - freilich nur ca. 2 Sekunden, danach begruben Shub Niggurath all meine Hoffnungen auf etwas Bekanntes, Erkennbares, Greifbares zu stoßen. Ein Album wie ein Albdruck, ein Horrortrip, ein "Testament"? Vielleicht auch das - aber auch ein Begräbnis, eine Art radikale Abkehr von jeglichen musikalischen Konzepten. Nein, ich möchte nicht polemisieren, denn in Wirklichkeit bezieht sich der Titel wohl nicht auf die Stücke selbst, sondern ist als eine Referenz für einen Musiker der Band gedacht, der vor kurzem gestorben ist. Wie sagte John Cage so treffend: "You don't have to call it music if you don't want to". Darf ich ignoranterweise hinzufügen, dass ich so etwas auch nicht hören muss?

Sal Pichireddu



© Progressive Newsletter 2003