CD Kritik Progressive Newsletter Nr.45 (08/2003)
Scapeland Wish - The ghost of autumn
(73:09, Privatpressung, 2003)
Bei Scapeland Wish könnte man prima Vergleichsmomente zu allen möglichen Bands ziehen. Gerecht wird man ihnen damit keineswegs, sondern dies sorgt mehr für Verwirrung. Denn auch wenn der Harmoniegesang irgendwo zwischen CSNY und Yes schwankt, die Gitarre manchmal Erinnerung an Rush bzw. Boston aufkommen lässt, die Arrangements in Nuancen an Styx bzw. guten amerikanischen Mainstream Rock erinnern, so sind dies nur kleine Puzzleteile, das Gesamtbild wirkt wesentlich eigenständiger und klingt keineswegs vergleichbar. Scapeland Wish ist ein Trio aus Connecticut, welches sich einer interessanten Mischung aus sachter, typisch amerikanisch klingender Rockmusik (weit weg von langweiligem Mainstreameinheitsbrei) gepaart mit sinfonischen, progressiven Einflüssen verschrieben hat. Die Prog Elemente sind deutlich erkennbar, werden aber vor allem für die Atmosphäre, den Bombast eingesetzt, es gibt also nur wenige ausufernde Instrumentalschlachten, Breakgewitter oder sonstige, mehr offensichtliche Einflüsse, ein paar richtig fette Mellotronteppiche bzw. elegisch jubilierende Gitarrenparts dürfen es aber schon sein. Hinzu kommt jede Menge mehrstimmiger, exzellenter Harmoniegesang, der dem Album den letzten Schliff verpasst. "The ghost of autumn" ist eine bestens arrangierte Songsammlung, die vor allem von sachte aufgebauten Stimmungen, effektiv verwendeten Soloparts lebt, wobei über dem gesamten Album ein verträumter, relaxter Grundgedanke schwebt. Genau dies kann man Scapeland Wish als einzigen, klitzekleinen Nachteil anlasten. Ihr Terrain beackern sie wirklich ausgezeichnet, doch hätte man sich durchaus ein paar mehr tempoverschärfende Parts gewünscht. Dass sie auch richtig losrocken können, beweisen sie u.a. mit dem Instrumental "Ostrich alternative". Abgesehen von diesem kleinen, eigentlich gänzlich zu vernachlässigen Schönheitsfehler gelingt es Scapeland Wish ein in Teilen musikalisch zurückgenommenes, insgesamt aber äußerst ansprechendes, mitreißendes Album abzuliefern. Hoffentlich wird aus der Band mit diesem Album mehr als nur Geheimtipp, sie hätten es zweifelsohne verdient.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2003