CD Kritik Progressive Newsletter Nr.45 (08/2003)

David Sancious & Tone - Transformation (The speed of love)
(Epic/CBS, USA, 76)

Einigermaßen bekannt wurde der farbige Keyboarder erst viel später als Sideman der unterschiedlichsten Rockgrößen und primus inter pares in der legendären (und leider ebenso enttäuschenden) Supergroup Bruce, Clempson, Cobham und Sancious, die 1980 zum Ärger aller Fans und entgegen allen Erwartungen ein äußerst (bis auf den Titel "Bird alone", der aber auch erst in der Liveversion zu Bruce's Fünfzigstem überzeugen kann) uninspiriertes Album ablieferte und sich stante pede auch gleich in Wohlgefallen auflöste. Anhänger des amerikanischsten aller Holzfällerhemdenträger kennen ihn als Tastenmensch der E-Street Band, in der er allerdings niemandem von seiner heimlichen Liebe, dem Rockjazz, später verharmlosend Fusion genannt, etwas erzählen durfte Hatte sich bei seinem Solodebüt 1975 noch die Trommellegende Billy Cobham seiner als Produzent für die symphonisch-vertrackten Instrumentals zwischen Jazz und Rock angenommen, entschied sich der gute David bei seinem magnum opus dafür, selbst Regie zu führen. Begleitet von seinen alten Kameraden Ernest Carter und Gerald Carboy an Schlagzeug und Bass geleitet uns der Meister auf Seite 1 durch drei leidenschaftlich zwischen süffigem Bombast, perlend-fragilen Pianoläufen und knackig daherswingenden Bassläufen pendelnden Sechs- bis Achtminütern, in deren mittlerem auf interessante Art und Weise Klangkaskaden Hendrix'scher Prägung mit speziell verfremdeten Tasteninstrumenten erzeugt werden: "Sky Church Hymn # 9", ein gelungenes Stück Hommage an James Marshall Hendrix, der 76 musikalisch wahrscheinlich auf ähnlichen Pfaden gewandelt wäre, hätte ihn nicht das eigene Gewölle erstickt. All das verblasst allerdings vor der unglaublichen Gewalt, mit der der Longtrack der Seite 2, nämlich der Titeltrack, nach einigen wenigen Minuten des tastentechnischen Säuselns und Waberns den Hörer förmlich anspringt, um ihn in einem ständigen Auf und Ab von Tempo und Emotion die nächsten 18 Minuten nicht mehr loszulassen. Eine äußerst gelungene symphonisch-jazzrockige Reise durch ein Musikgenre, das durch das pailletengekleidete Schielen auf die schnelle Discomark einen viel zu frühen Tod fand.

Charly Heidenreich



© Progressive Newsletter 2003