CD Kritik Progressive Newsletter Nr.44 (06/2003)

Atempo - Abismos del Tiempo
(71:06, Record Runner, 2003)

Unverhofft kommt nicht immer unbedingt oft, aber eben doch ab und zu. Nach Rückkehr aus dem Urlaub, finde ich zu Hause jedes mal einen riesigen Stapel an Rezensions-CDs vor, tja es ist eben eine rechte Last, wenn man so nebenbei ein Prog Magazin betreibt!. Neben den üblichen Verdächtigen, sprich bekannten Medienpartern und Labels, tummeln sich darunter immer wieder ein paar Überraschungen. Dieses mal war es ein kompaktes Päckchen vom brasilianischen Label Record Runner, welches einige sehr interessante Veröffentlichungen aus dem südamerikanischen Raum enthielt. Den Anfang machen nun die aus Argentinien stammenden Atempo, weitere Besprechungen aus dem Inhalt dieses musikalisch äußerst ansprechenden Bündels von der anderen Seite des Atlantiks, folgen noch im weiteren Verlauf der CD Besprechungen. Bei der Besetzungsliste von Atempo fällt zuerst einmal als Sängerin Mariela Gonzalez ins Auge und das eben nicht nur optisch. Wer sich etwas in der südamerikanischen Szene auskennt, findet nämlich damit die ehemalige Frontfrau der ebenfalls aus Argentinien stammenden Formation Nexus wieder, die bereits u.a. auf dem Nearfest, dem jährlichen Prog Festival an der U.S. - Ostküste auftraten. So ist es auch auf diesem Album die unverkennbare kraftvolle, schmachtende Stimme, der ausschließlich in spanisch vorgetragenen Titel, die bei Atempo einen deutlich prägenden Einfluss hinterlassen. Doch die Band braucht sich hinter ihrer Chanteuse keineswegs zu verstecken. Angesichts der Bilder im Booklet kann man anscheinend auf ein recht erfahrenes Fundament bauen, denn die Herren der Schöpfung haben angesichts fortgeschrittenen Alters, zum Teil nicht mehr alle Haare beieinander. Musikalisch bewegt sich die argentinische Band im Grenzbereich zwischen sinfonisch-bombastischen Progressive Rock und eher härterem Neo Prog Einschlag, wobei Atempo keineswegs ihre südamerikanische Wurzeln verleugnen. Im Gegensatz zu den Kollegen des nördlichen Nachbarn Brasilien, bevorzugt die Band aus dem Land der Gauchos dabei eine mehr druckvolle und für europäische Ohren keineswegs zu lasch wirkende Eigeninterpretation des Progressive Rocks. Natürlich muss man mit den Emotionen und der Ausdrucksart, die hinter der spanischen Sprache steckt, erst einmal klar kommen, die instrumentale Fraktion hinterlässt aber dafür weniger Kopfschmerzen, da sie zum größten Teil auf bekanntes, manchmal auch etwas zu klischeehaftes zurückgreift; jedoch vor allem durch griffige, leicht verspielte Arrangements und hohen Melodieanteil den Zugang angenehm erleichtert. "Abismos del Tiempo" ist somit ein Album, welches bereits beim ersten Anhören nicht substanziell, aber durchaus sympathisch daherkommt. Letztendlich fehlt dennoch der letzte Funke, um ganz an die Klasse von z.B. Nexus heranzukommen. Kompakt und konzentriert, trotz des über 47-minütigen(!), das Album abschließenden "El final", kommen Atmepo aber dennoch ohne größere Durchhänger und inhaltliche Leere aus. Wieder mal ein Album aus Argentinien, dessen Antesten sich ebenfalls für europäische Ohren lohnt.

Kristian Selm



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