CD Kritik Progressive Newsletter Nr.44 (06/2003)

Styx - Cyclorama
(58:08, Sanctuary, 2003)

"Cyclorama" ist das erste Styx Studioalbum seit vier Jahren und das erste in der neuen Besetzung, die sich 1999, nach dem Split mit Sänger / Keyboarder Dennis DeYoung zusammenfand. Etwas zu vollmundig wird es auf der Presseinfo als kreative Wende hin zum ursprünglichen Styx Sound, wie z.B. auf "The grand illusion", angekündigt. Für den Sound und die Zusammenarbeit mag dies sicherlich zum Teil zutreffen, die Songs hingegen sind weit weniger verspielt und sinfonisch angehaucht, wie noch Mitte, Ende der 70er, als die Band zu stadionfüllenden Superstars aufstieg. Trotzdem ist "Cyclorama" ein ansprechender Schritt in die richtige Richtung. Eine griffige, kompakte AOR Scheibe mit einigen Rückgriffen in die eigene Vergangenheit, die in der früheren Radiolandschaft sicherlich mit einigen Titeln auch ihren Weg in den Äther gefunden hätte. Als besonderer Pluspunkt erweist es sich vor allem, dass Styx inzwischen über vier(!) Leadsänger und Songschreiber verfügt. Neben den für die meisten Titel zuständigen Tommy Shaw, sowie Styx Urgestein James Young, sind ebenfalls Keyboarder Lawrence Gowan und Bassist Glen Burtnik am Mikrofon aktiv. Aber nicht nur die verschiedenen Stimmen sorgen für ansprechende Abwechslung, sondern vor allem die perfekt arrangierten, mehrstimmigen Vokalharmonien geben den Songs den rechten Drive. Doch damit nicht genug, im Background trällern als Gäste u.a. auch noch zur weiteren stimmlichen Verfeinerung Beach Boy Brian Wilson und John Waite ("Missing you") mit. Das Songmaterial ist ein gelungener Balanceakt zwischen neueren Einflüssen, wie z.B. die zwischenzeitliche Tätigkeit von Tommy Shaw bei den Damn Yankees, sowie Erinnerungen und Zitaten an dass, was Styx in der sinfonisch-bombastischen Vergangenheit auszeichnete. Die augenzwinkernde A-Capella Kurzversion vom Klassiker "Fooling yourself", sowie auch titelmäßige Ähnlichkeiten (statt "Miss America", heißt es jetzt "Captain America") sind offensichtliche Verwandtschaften. Musikalisch hätte das knapp siebenminütige, majestätisch rockende "These are the times" oder das etwas an die Beatles erinnernde "More love for the money" durchaus ihren Platz auf den LPs der späten 70er und frühen 80er finden können. Als Gegenpol dazu dient rockiges, straightes Material, wie der Opener "Do things my way" oder das rotzfreche "Kiss your ass goodbye". Selbst die Balladen, für die der gebürtige Kanadier Lawrence Gowan jetzt zuständig ist, sind weit weniger zuckrigsüß, als noch bei Dennis DeYoung. Insgesamt keine völlige Rückkehr zur alten Stärke, denn dafür wurden die Keyboards bzw. Soli an den Tasten leider zu weit in den Hintergrund gedrängt, fehlt es am Bombast, der Power der Klassiker. Dennoch sind Styx auf "Cyclorama" deutlich vernehmbar wieder mit vollem Elan unterwegs und bieten AOR der allerbesten Sorte. Abgerundet wird die Scheibe noch durch ein karottiges Artwork von Storm Thorgerson (u.a. für Pink Floyd und Alan Parsons tätig). Bleibt abschließend noch die Hoffnung, dass sich Styx auch wieder auf den Weg nach Europa machen, bewiesen so doch bereits im Herbst 2000, was sie auch live immer noch für eine Klasseband sind.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2003