CD Kritik Progressive Newsletter Nr.44 (06/2003)
Headphone - Work in progress 1998 200-
(37:42, Ici d'ailleurs, 2002)
Was in der Stilbeschreibung (Avant Rock-Jazz-Blues Rock) nach ziemlich grässlicher Schrägheit klingt (stammt übrigens von der Promotion Agentur und nicht von mir), klingt als musikalisches Endresultat wesentlich relaxter, entspannter und überaus unaufgeregt. Ergänzend nochmals ein Zitat aus dem Presseinfo: "die Band ruft die Verlassenheit von Talk Talk...und den unbehagliche Psychedelismus von Can in Erinnerung". Diese Aussage macht schon um einiges besser klar, was sich hinter dem Projekt Headphone verbirgt, nämlich in langsamer Ruhe sachte minimale Stimmungen aufzubauen. Inhaltlich passiert hier augenscheinlich nicht besonders viel. Treibende Kraft dieser französischen Kollaboration ist Jean Michel Pires (Schlagzeuger von Bed, Bosco, Married Monk), der zusammen mit Marc Sens, Benoît Burello (ebenfalls Bed) und Nicolas Courret (Eiffel), sowie diversen Gastmusikern u.a. an Orgel, Vibraphon, Schlagzeug, träge, psychedelisch gefärbte Klanglandschaften erdachte, die deutlich an die drogengeschwängerten Experimente der Spät 60er, Anfang 70er, den frühen Krautrock Exkursionen auf dem Selbsterfahrungstrip, erinnern. Sachte schälen sich dabei fragile, von umwerfender Schönheit getragene Melodien heraus, unvermindert setzen Posaune oder Trompete kurze avantgardistische Tupfer, die dem endlosen Fluss an langsamen Klängen und Stimmungen einen Sinn geben. Vor allem die anschwellenden Orgelakkorde sumpfen tief in der Vergangenheit herum, geben aber vielleicht auch gerade deswegen der Musik so etwas wie eine heimelige Vertrautheit. Wie sagte erst kürzlich Jethro Tull's Ian Anderson im einem Interview bezüglich neuer Einfälle in der Rockmusik: "Es ist selten etwas dabei, was mich denken lässt, dass ich es noch nicht vorher gehört habe. Die Bands können aber nichts dafür, weil es schwierig ist, im Genre Rockmusik etwas zu finden, was noch nie vorher da gewesen wäre." So sind Headphone in erster Linie Aufbereiter der Vergangenheit. Dies gelingt ihnen aber dafür sehr gekonnt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2003