CD Kritik Progressive Newsletter Nr.43 (03/2003)

Focus - 8
(59:14, Musea, 2002)

Dieses holländische Quartett muss im PNL sicherlich nicht großartig vorgestellt werden, man weiß, was diese Band in den 70ern ausgezeichnet hat. Sie bewiesen eindrucksvoll, dass man auch mit Instrumental-Nummern Hits landen konnte. Titel wie "Hocus Pocus", "House of kings" oder "Sylvia" sollten hinlänglich bekannt sein. Mit dieser Band groß geworden und zum Star-Gitarrist avanciert war kein Geringerer als Jan Akkerman. Im gleichen Atemzug war Organist/Flötist Thijs van Leer zu nennen. Als ich von der Reunion erfuhr und kurze Zeit später ein Konzert in Verviers anstand, war ich natürlich sehr interessiert, in welcher Besetzung sie heutzutage an den Start gehen. Zunächst war die Enttäuschung groß: kein Jan Akkerman! Überhaupt ist von der Originalbesetzung lediglich van Leer übrig geblieben. Doch live bewies die aktuelle Formation sehr schnell, dass sie die alten Nummern 1:1 umzusetzen in der Lage sind. Speziell Gitarrist Jan Dumee wusste hierbei zu überzeugen. Doch es wurde fast ausschließlich altes Material gespielt, und so war ich entsprechend gespannt, wie das neue Material auf "Focus 8" wohl klingen würde. Antwort: als hätte es nie diese lange Pause gegeben. Sie sind ihrer Tradition treu geblieben: melodiöse Instrumentals mit sehr schönen Gitarrenparts, klassischen Flöteneinlagen und die Focus-typische Orgel. Während van Leer live ausschließlich seine Hammondorgel bedient hatte, wurde für das Album das Keyboardspektrum immerhin um Piano und vereinzelt eingesetzte Synthesizer erweitert. Auf dem Opener "Rock & Rio" geht es gleich flott zur Sache, van Leer jodelt und brummt lustig vor sich hin und Dumee dominiert auf seiner Gitarre; klingt nach einer Mischung aus "Harem Scarem" und "Hocus Pocus". "Gesungen" wird lediglich auf einem Song (da hätte sich Herr Dumee doch lieber ausschließlich auf die Gitarrenbearbeitung konzentrieren sollen). Den Hörer erwarten Songs im Stil von "Hocus Pocus", "Sylvia" bzw. den gitarrenbetonten, langsamen Nummern wie Focus II/Focus III etc. Es ist kaum zu leugnen, dass sich Focus auf dem Album zur Genüge selbst zitieren und es bleibt jedem selbst überlassen, wie er/sie mit derartigen Selbstzitaten umgeht - mir gefällt's jedenfalls, auch wenn (oder gerade weil?) sie sich nicht verändert haben. Obwohl die meisten Songs aus der Feder van Leers stammen, fällt doch auf, wie stark sich hier der neue Gitarrist einbringt. An die alten Erfolge werden sie zwar vermutlich nicht mehr anknüpfen können, doch ein erster, gelungener Schritt ist getan, sich wieder ins Gespräch zu bringen.

Jürgen Meurer



© Progressive Newsletter 2003