CD Kritik Progressive Newsletter Nr.42 (12/2002)

Sloche - J'un oeil
(RCA, 1975)

Einheimische Progressiverockbands hatten es nicht leicht in der neuen Welt, auch als die Größen der europäischen Szene (Yes, Genesis) auf ihren Tourneen durch den amerikanischen Kontinent es bereits geschafft hatten, regelmäßig riesige Stadien zu füllen. Gründe dafür mögen unter anderem gewesen sein, dass "der Prophet nichts gilt im eigenen Land", und dass die amerikanische Szene sich, inspiriert von den Livegigs ihrer europäischen Helden, erst zu einer Zeit gründete (ab 75), als schon weltweit abzusehen war, dass die Musikindustrie auf leichter zu erfüllende Bedürfnisse der Konsumenten umsatteln würde, nämlich Discomusik und später Punk. Die wenigen kanadischen Progressive-Bands hatten gegenüber ihren US-Kollegen zumindest den Vorteil, dass die vorwiegend im französischen Teil Kanadas produzierten Scheiben häufig auch im europäischen Mutterland erscheinen konnten. So geschehen auch mit dem vorliegenden Debüt der 5-köpfigen Formation Sloche, die mit "J'un oeil" einen richtigen Meilenstein der transatlantischen Szene eingespielt haben. Trotz des Vorhandenseins gleich zweier Keyboarder mit riesigen Arsenalen haben Bassist und Gitarrist gleichberechtigten Anteil an Komposition und Arrangements. Mit leicht jazzrockigen Strukturen sorgen sie dafür, dass die stets griffigen Melodielinien nicht in symphonisch / bombastischem Kitsch untergehen. Die fünf Songs zwischen fünf und elf Minuten begeistern vor allem auch durch die einfallsreichen mehrstimmigen Gesangslinien (alle fünf singen!!!) und die knackig auf den Punkt gespielten Unisonopassagen von Melodie- und Rhythmusinstrumenten. Da dieses äußerst gelungene Album, wie bereits erwähnt, auch in Frankreich erschienen ist, könnte man beim nächsten Urlaub in französischen Second-Hand-Läden ohne weiteres fündig werden.

Charly Heidenreich



© Progressive Newsletter 2002