CD Kritik Progressive Newsletter Nr.42 (12/2002)

Paatos - Timeloss
(39:47, Stockholm Records, 2002)

Es war an einem kalten Februarabend 1993, als in der schwedischen Provinz die beiden Progbands Landberk und Ägg zum ersten mal zusammen spielten. Aus diesem Treffen wuchs ein Gefühl des gemeinsamen musikalischen Verständnisses, so dass sich ein paar Jahre später einige Musiker dieser beiden Gruppen als Begleitband der Folk-Rock Sängerin Turid wiederfanden. Durch das gemeinsame Zusammenspiel wuchs letztlich immer mehr die Idee, etwas eigenes zu versuchen. Letztendlich gründeten Stefan Dimle und Reine Fiske von Landberk, sowie Richard Nettermalm und Johan Wallén von Ägg eine gemeinsame Band namens Paatos. Mit Petronella Nettermalm fand man zudem eine zur Musik passenden Stimme, so dass hauptsächlich im Verlauf diesen Jahres die Stücke für ihr erstes Album aufgenommen wurden. Unterschiedliche Einflüsse der Bandmitglieder, die von Björk, David Bowie, Sigur Rós, Terje Rypdal, Radiohead bis hin zu Keith Tippet, Magma, King Crimson und Il Balletto Di Bronzo reichen, spiegeln sich zwar keineswegs immer augenscheinlich im Sound wieder, dennoch ist die stilistische Vielfalt durchaus präsent. Zuerst erscheint einem die Laufzeit von knapp 40 Minuten in Anbetracht der heute möglichen CD Länge zwar etwas kurz, doch die hervorragende Qualität der Musik macht dieses Manko mehr als wett. Geschickt verschwimmen progige und jazzige Elemente, nordische Folklore und selbst Drum'n'Bass (ausschließlich im letzten Stück) kommen zum Einsatz. Immer wieder bricht bei den ersten vier Titeln die melancholische, expressivere Note von Landberk bzw. Morte Macabre durch, instrumental noch gesteigert durch massiven Mellotroneinsatz. Doch nicht alles auf diesem Album ist Retro, soundtechnisch rückwärts in die Vergangenheit gerichtet. Das krasse Extrem ist das über zwölfminütige, das Album abschließende "Quits". Der Song beginnt mit modernen Beats und Loops, steigert sich zu einer flotten, melodischen Drum'n'Bass Nummer, um als völlig freies Jazzstück zu enden, bei dem sich die Gastmusiker an Saxophon, Trompete und Posaune ekstatisch austoben. Im Kontrast zu den anderen Titeln sicherlich nicht jedermanns Geschmack. "Timeloss" ist in jeder Hinsicht ein Album der Gegensätze. Vor allem die zerbrechliche, wunderschöne Stimme von Petronella Nettermalm, die in Tonlage und Ausdruck als Mischung von Björk und der Portishead Sängerin Beth Gibbons durchgeht, verleiht Paatos mit zusätzlich sehr traurigen Texten eine interessanten Stimmungsbogen. Leichte Folkelemente in typisch nordischer Traurigkeit und zurückhaltende Gespräche zwischen Gitarre, Tasten und Rhythmus zeigen die ganz andere, die besinnliche Seite der Band aus Stockholm. Paatos setzen in Ansätzen die Tradition von Landberk fort, doch sind Paatos moderner, stilistisch offener. Je mehr man sich "Timeloss" anhört, um so mehr versinkt man in dieser Musik, heruntergezogen vor allem vom Mellotron, ruhiger Atmosphäre und dieser tollen Stimme. Doch aufgepasst: "Quits" holt einen auf sehr brutale Weise wieder zurück. Die gewollten Gegensätze erzeugen bei Paatos aber dennoch einen logischen Gesamteindruck, womit einer neuen hoffnungsvolle Band, ein beeindruckendes Debüt gelungen ist.

Kristian Selm



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