CD Kritik Progressive Newsletter Nr.42 (12/2002)
Out Of Focus - Rat roads
(50:55, Garden Of Delights, 1971)
Muss Out Of Focus aus München näher vorgestellt werden? Es dürfte eine der bekanntesten Bands im deutschen Progressive Rock sein. Im Booklet wird die Geschichte der Band ausführlich wiedergegeben. Nach ihrem 1970er Debüt "Wake up!" folgte 1971 "Out Of Focus" und ein Jahr später das jazzorientierte "Four letter Monday afternoon". Im Studio wurden für dieses dritte (als Doppelalbum erschienene) Werk etliche Songs eingespielt, von denen viele weggelassen werden mussten. Gitarrist Remigius Drechsler fand die alten Aufnahmen nach langer Zeit wieder. 2001 erschien "Not too late" mit 1974er Aufnahmen, nun folgen die restlichen Stücke aus den "Four letter Monday afternoon" - Sessions. Erstaunlicherweise handelt es sich dabei um 9 Songs, die fast ein weiteres Doppelalbum hätten füllen können. Die instrumentalen Stücke sind allesamt sehr verspielt und teils über 12 Minuten lang. Neben dem melodietragenden Saxophon sind vor allem Gitarre und Keyboard führende Instrumente. Die Rhythmusgruppe arbeitet jazzbetont, versiert und mit ungeheuer ansteckendem Drive. Vor allem die ausgedehnten Solo der Hammond im Unisonoklang mit dem Saxophon verstärken den Jazzeindruck. Die beiden einzigen Vokalstücke "Iïd like to be free" und "Tell me what Iïm thinking of" sind ausgezeichnete Rocksongs, von fantastischer Komposition und liedhafter Struktur mit feiner Leichtigkeit und kräftigem Ton. Die Bläser arbeiten sorgfältig artikuliert und dynamisch differenziert, mit virtuoser Spannung. Warum diese wunderbaren Songs damals nicht veröffentlicht wurden, kann ich nicht nachvollziehen. Nicht nur das episch-komplexe "Climax" oder der Titelsong "Rat roads" sind genialer Brass-Rock. Die zwischen lyrischer Stille, spannendem Aufbruch und explodierender, dramatischer Wildheit mäandernden Songs leben vom exzellenten Spiel der Instrumentalisten. Die beiden letzten Fragmente "Kitchen Blues" und "Good-bye honey" machen nicht unbedingt viel her, die restlichen Songs sind samt und sonders hervorragende Beispiele ausgezeichneter Rockmusik mit kräftigem Jazzeinschlag. Gut zu wissen, dass Garden Of Delights weitere Veröffentlichungen der Band plant.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2002