CD Kritik Progressive Newsletter Nr.42 (12/2002)

Nathan Mahl - Heretik Volume III The Sentence
(54:03, Mahl Productions, 2002)

Nach drei Jahren und drei Alben findet die "Heretik" Trilogie mit dem vorliegenden "The sentence" endlich ihren lang geplanten Abschluss. Eigentlich sollte dieses Dreifach Werk komplett veröffentlicht werden, doch dann kam Guy LeBlanc, dem Keyboarder, Sänger und Songschreiber von Nathan Mahl, seine "Nebentätigkeit" bei Camel dazwischen, die ihn dazu zwang, größere Pausen zwischen den Konzeptwerken mit seiner eigentlichen Band einzulegen. Doch selbst nachdem diese Trilogie abgeschlossen ist, befindet sich der umtriebige Kanadier bereits in den Arbeiten für weitere musikalische Projekte. Zurück zu "Heretik Volume 3". Im Gegensatz zu den beiden Vorgängeralben besteht der dritte Teil dieses mal aus nur einem Stück, nämlich dem 54-minütigen Monstertrack "De Mortitis Nil Nisi Bonum", für Nicht-Lateiner ins englische gleich mitübersetzt als "Of the dead, speak nothing but good". Auch der Beginn unterscheidet sich deutlich vom bisherigen Material, denn nicht Guy LeBlanc, sondern weiblicher Gesang setzt einen sehr sanften Beginn. Doch der trügerische Wechsel hält nur kurz an, denn schon bald haben Gitarre und Keyboards in duellierender, proggiger, äußerst virtuoser Spielweise das Sagen - alles also wie gewohnt und bekannt. Der ebenfalls typische jazzige Einschlag führt die Musik zudem in bestens bekanntes Nathan Mahl Gewässer, selbst wenn der Rhythmus klanglich eine Spur zu synthetisch, zu blutleer daherkommt. Doch wie schaffen es die Franco-Kanadier die Spannung auf gesamte CD Länge aufrecht zu erhalten? Die erste, sehr abwechslungsreiche und ebenfalls dramatisch aufgebaute "Soloschlacht" ebbt nach rund 12 Minuten in den ersten, etwas ruhigeren Zwischenpart ab. Nach einem klassischen, mittelalterlich anmutenden Intermezzo, wird jedoch wieder sehr schnell Tempo und Spielfreude gesteigert, überwiegen jetzt die sinfonischen, mehr progressiven Momente, nachdem es zu Beginn der Jazz Rock unterschwellig dominierte. Guy LeBlanc übernimmt dabei immer mehr die Führungsrolle. Was dieser spieltechnisch drauf hat, weiß man spätestens seit seinem kraftvollen Soli bei "Lady Fantasy", welches sich bei der letzten Tour von Camel mehr zu einem Solospot des Keyboarders entwickelte. Nach dem vorher beschriebenen Rezept geht es im weiteren Verlauf der CD weiter. Jeder ausgiebige Solopart erfährt als Ausgleich ein kurzen besinnlichen Zwischenmoment, bevor die Band wieder unvermindert loslegt und das Ende der CD in einem bombastischen Schlusspart gipfelt. Progressive Rock und Jazz Rock werden geschickt ineinander filtriert - es macht einfach Spaß hier zuzuhören. Natürlich soll eine kritische Randbemerkung keineswegs fehlen. Überspitzt formuliert kann man den Nordamerikanern durchaus vorwerfen, dass sie einfach ein Album mit einer, zugegebenermaßen sehr geschickten Aneinanderreihung von diversen Soloparts gefüllt haben. Es hängt letztendlich vom eigenen Empfinden gegenüber ellenlangen Soloeskapaden ab, ob man dieses Album begeistert oder mit der gehörigen Skepsis aufnimmt. Ein nachvollziehbarer, roter Faden wäre hier sicherlich hilfreich gewesen. So bleibt letztendlich der Gedanke haften, dass natürlich einige Straffungen hier und da möglich gewesen wären, doch insgesamt gelingt es Nathan Mahl im gemeinsamen Zusammenspiel, die Spannung erstaunlicherweise auf recht langer Spiellänge aufrecht zu erhalten.

Kristian Selm



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