CD Kritik Progressive Newsletter Nr.42 (12/2002)

Tori Amos - Scarlet's Walk
(74:09, Epic, 2002)

Da soll sich also der leidgeprüfte unterzeichnende Redakteur wenigen Stunden vor Redaktionsschluss noch in aller Eile (und ernsthaft dazu) ein paar kluge Zeilen zu Toris neuem Album "Scarlet's Walk" aus den Rippen schneiden. Das ist wirklich ungerecht, denn die Redakteure haben ja nun wirklich nur popelig-wenige Monate Zeit, um ihre mickrigen Ergüsse zusammenzuschustern und dann bleibt auch noch die sonst obligatorische Fristverlängerung aus, weil jeder Redakteur der was auf sich hält selbstverständlich erst kurz vor Einsendeschluss sich die CDs, die er reviewen möchte vorknöpft. Ja, so ist das muntere Reviewer-Leben, aber dieser Druck, nein wirklich, das sind ja Arbeitsbedingungen wie in der freien Wirtschaft oder zumindest in einer Beamtenstube... schrecklich. Doch nicht alles in der Welt ist schlecht, böse und ungerecht, wie unser allseits geliebter und geschätzter Chefredakteur - immerhin gibt es die Lichtgestalt Tori wieder, die man schon an die Disco-Stumpfsinn-Remixer verloren glaubte. Nach dem vielleicht schlechtestem Cover-Album aller Zeiten ("Strange little girls") und Labelwechsel (von WEA zu Epic) zaubert die Sirene, die gerade in Prog-Kreisen so verehrt wird, ein wundervolles Album, ganz und gar akustisch gehalten, so wie ihr legendäres Debüt "Little earthquakes" - ein Konzeptalbum dazu: Scarlet's Reise (ihr wisst schon - die Scarlet) reist quer durch Amerika - auf einem ambivalenten Selbstfindungs- und Entdeckungstrip, quasi auf der Suche nach sich selbst, seinen Wurzeln und seiner Heimat. Das alles ganz und gar unpathetisch und unpatriotisch (wie wundervoll, dass es so etwas in der post-11.-September-Ära noch gibt), wundervoll gesungen, getextet und komponiert von einer wiedererstarkten Tori, die sich Anfang des Jahres auch in Deutschland für einige (leider sündhaft teure) Konzerte blicken lassen wird.

Sal Pichireddu



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