CD Kritik Progressive Newsletter Nr.42 (12/2002)

Al-Bird - Sodom & Gomorra XXI
(49:55, Musea, 2002)

Ja, da schau her, die progressive Weltkarte muss mal wieder um ein Land erweitert werden, da freut sich doch der Weltreisende K.Selm ganz diebisch. Bei Al-Bird handelt es um eine Band aus Zentralasien, um ganz genau zu sein, aus Usbekistan. Als ehemalige Teilrepublik der Sowjetunion, hat auch dieses Land als eigenständiger Staat inzwischen seinen Platz auf dem Globus gefunden. Wer sich ein bisschen im weltweiten elektronischen Tummelplatz, sprich Internet, herumtreibt, der ist bestimmt auch irgend wann einmal auf die Seite des Online Prog Magazins "Progressor" (www.progressor.net) gestoßen, präsentiert vom umtriebigen Vitaly Menshikov, der ebenfalls aus Usbekistan stammt. Und siehe da, genau diesen Vitaly Menshikov findet man als Bassisten bei Al-Bird wieder, so klein ist die Welt eben manchmal! Doch werkelt er nicht alleine, zur Band gehören außerdem noch Keyboarder Albert Khalmurzayev und Schlagzeuger Val Vorobiov - somit eine klassische Prog Trio. Der Untertitel des eingespielten Albums "Sodom & Gomorra XXI", nämlich "Progressive Symphonic Poem", deutet schon an, wohin die musikalische Reise geht. Der im CD-Player angezeigte eine Titel in einer Länge von über 49 Minuten, lässt einen auf einen epischen Longtrack hoffen, doch besteht dieser Titel genaugenommen aus 20 sehr unterschiedlichen Unterteilen, dummerweise aber nicht direkt anwählbar. So ist man zuerst überrascht, was man hier zu hören bekommt, denn neben progressiven, sinfonischem Instrumental Rock in bekannter Manier, greift das usbekische Trio vermehrt auf aktuelle Beats, leichte Ambient Elemente, Soundtrackartiges und moderne Sounds zurück. Die musikalische Verbindung zu den 70ern bleibt zwar deutlich hörbar, die mal in getragenen, floyidgen Parts mündet oder klassisch progig in ELP-Manier losrockt, aber dennoch klingt dieses Album erfrischend anders. Neben der stilistischen Vielfalt, die von harmonischen Elementen, rockiger Einfachheit, schrägen Parts bis hin zu abgedrehten Instrumentenorgien reicht, durchzieht dieses Werk zudem eine eher dunkle Grundstimmung, die für manch bedrohliche Eindrücke sorgt. Doch sollen auch die Kritikpunkte nicht unerwähnt bleiben. Neben dem manchmal doch recht synthetisch, zu kalt klingenden Elektro-Schlagzeug, führt die selbst gewählte Stilvielfalt zu diversen inhaltlichen Brüchen. An manchen Stellen sicherlich sehr passend, um einfach verschiedene Kontraste zu erzeugen, aber einige Parts sind auch schlichtweg zu straight, zu unspektakulär geraten. Nicht immer gelingt es Al-Bird die sorgsam aufgebaute Spannung auflösen oder fortzuführen, sondern innere Wechsel - zum Teil sehr experimentell, schwer verdaulich angehaucht - führen gelegentlich einfach ins Leere. Klingt jetzt vielleicht schlimmer, als sich das Endresultat wirklich anhört, hiermit soll aber nur verdeutlicht werden, dass neben einigen sehr starken Parts, auch durchschnittliches Einzug hält. Mit sehr dominanten, immer wieder verschiedenartig erklingenden Keyboards, deren Spielweise von Soundteppichen bis hin zu filigraner Soloarbeit reicht, ist dieses über weite Strecken sehr sinfonisch, kräftig melodisch angelegte Album eine durchaus hörenswerte Angelegenheit und gibt dem nicht schreckhaften Zuhörer somit die Möglichkeit, einen weiteren weißen Fleck auf der progressiven Landkarte mit Inhalt zu füllen.

Kristian Selm



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