CD Kritik Progressive Newsletter Nr.41 (09/2002)

Tanger - La otra cara
(43:48, Viajero Inmovil Records, 2002)

Mut und aufopferungsvollen Idealismus muss man dem argentinischen Label Viajero Inmovil Records auf jeden Fall bescheinigen. Die Veröffentlichungen des Labels zeichnen sich ja nicht gerade durch inhaltliche Zugänglichkeit aus, versprechen dadurch natürlich auch keineswegs hohe Absatzzahlen. Jedoch wurden alle bisherige Veröffentlichungen in einen ansprechenden, aufklappbaren Pappkarton verpackt und erinnern im optischen Gesamteindruck an eine Miniatur LP Ausgabe. Sehr viel liebevolle Detailarbeit also, um der großen Welt die argentinische Underground Progressive Rock Szene in all seinen wilden Schattierungen näher zu bringen. Tanger bieten auf ihrem zweiten Studioalbum eine Mischung, die sich grob als eine instrumentale Interpretation der frühen, rohen Ausgabe von King Crimson mit einer mal folkigen, mal jazzigen Flöte umschreiben lässt. Die rein instrumentale Musik des Quartetts aus Buenos Aires benötigt keine ausschweifende Kompositionen, sondern die zwölf, meist im drei Minuten Bereich gehaltenen Titel, packen die komplexen Ideen einfach in ein kürzeres Format. Durch diese Kompaktheit wirken die Songs in ihrer Schwierigkeit nicht zu überladen, die dunkle Stimmung, der instrumentale Fluss bleibt überschaubar und relativ auf den Punkt gebracht. Trotz einer leicht schwammigen, leicht dumpfen Produktion, hört man das Können der vier Protagonisten heraus, die sich im Grenzbereich zwischen Progressive und Jazz Rock bewegen, selbst kleinere Tango Schnipsel aus der Heimat werden mit verarbeiten. Dennoch bleibt so etwas wie eine inhaltliche Unschlüssigkeit zurück. Die metallischen Gitarren arbeiten mehr gegen die Flöte an, die einzelnen, nur schwer voneinander zu unterscheidenden Stücke, steuern auf kein sofort erkennbares Ziel hin. In den melodischen Momenten wird dieses Musik sogar zugänglich, ansonsten sind die nicht gerade einfachen, manchmal sehr verschrobenen und versponnenen Einfälle wieder mal Ideen einer Band von Spezialisten für Spezialisten.

Kristian Selm



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