CD Kritik Progressive Newsletter Nr.41 (09/2002)

The Styrenes - Terry Riley: "In C"
(53:25, Enja Nova, 2002)

Der kalifornische Komponist Terry Riley verhalf der Minimal Music 1964 mit seinem revolutionären Klassiker "In C" zum Durchbruch. Mit seinen überlappenden Endlos-Wiederholungsmustern übte er einen wesentlichen Einfluss auf die Musik des 20.Jahrhunderts aus, die neben der Fortführung bei zeitgenössischen Komponisten auch in der Musik von Bands wie The Who, Soft Machine, Tangerine Dream oder Curved Air ihre Fortsetzung fand. Die hypnotischen, vielschichtigen Muster fanden sich in vielerlei Stilen wieder, wie z.B. "In C" die Grundlage der New Age Bewegung lieferte. Der Gitarrist und Keyboarder Paul Marotta, hat sich mit seiner bereits 1975 gegründeten Formation daran gemacht, dieses Werk rockmusikalisch zu interpretieren. Es geht also nicht darum das Werk einfach nachzuspielen, sondern mit den instrumentalen Möglichkeiten einer Rockband (3xGitarre, Keyboards, Bass, Schlagzeug + Vibraphon) und der nahezu unbegrenzten Anzahl von Digitalspuren wurde das Werk von einer virtuellen 20-Mann-Rockband neu verkörpert. "In C" ist ein Werk, auf dass man sich einlassen muss, man benötigt die bedingungslose Bereitschaft sich von endlosen, minimalistischen Wiederholungen forttragen zu lassen. So wird hier mancher Hörer nach wenigen Minuten sicherlich völlig entnervt aufgeben, da anscheinend zu wenig passiert, sich die mäandrierenden Strukturen permanent wiederholen, nur minimale Veränderungen das Stück auf einer anderen Ebene weiterentwickeln. Eine endlose Struktur wird langsam durch eine anders klingende Struktur abgelöst, dabei laufen parallel endlose Ideen über- und nebeneinander her, wobei interessanterweise das ganze Stück auf lediglich 53 verschieden Melodiestrukturen beruht, die von allen Beteiligten hintereinander gespielt werden. Diese Strukturen können fast endlos, aber auch nur einige mal wiederholt werden und das Stück endet, wenn alle Musiker bei der 53.Struktur angekommen sind. Klingt abgedreht, künstlich und sehr wissenschaftlich? Ist es aber nur bedingt. In den 53 Minuten dieser Interpretation entstehen Fragmente, Strukturen und Muster die in Ansätzen nicht ganz unähnlich den psychotischen Zeuhl Mechanismen von Bands wie Magma sind, die hypnotische Kraft der Musik von Present versprühen oder ganz entfernt an die Frühwerke von Mike Oldfield erinnern. Und interessanterweise arbeiten heutige Bands wie z.B. Godspeed You Black Emperor! mit einer ziemlich ähnlichen Technik, die auf Wiederholungen, an- und abschwellende Dynamik setzt. Wie von einem Strudel wird man immer tiefer in die Klangwiederholungen hineingezogen. Dieses musikalische Experiment ist definitiv nichts, was man sich mal so nebenher reinzieht, sondern erst beim genauen Zuhören entdeckt man die Kraft und Faszination dieses einmaligen Werkes oder fühlt sich ganz einfach darin bestätigt, dass man die Musik durch ein zu einengendes Korsett ihrer Freiheit entraubt. Sehr eigenwillig, äußerst extrem, aber irgendwie auf seine Art ansprechend.

Kristian Selm



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