CD Kritik Progressive Newsletter Nr.41 (09/2002)
Schicke Führs Fröhling - Live 1975
(72:27, Nordseerecords, 2002)
Und wieder mal: Asche auf mein Haupt. Erst kürzlich entdeckte ich die Musik von Schicke Führs Fröhling kurz SFF, und muss mich jetzt mal wieder ganz demütig schämen, wie ich jahre- bzw. jahrzehntelang eine solch fantastische Band, die zudem noch aus Deutschland stammt, ignorieren bzw. übersehen konnte. Das rein instrumental agierende Trio veröffentlichte zwischen 1976 und 78 drei Alben auf dem legendären Brainlabel (erschienen übrigens 1993 alle zusammen als Doppel CD unter dem Namen "The collected works" beim amerikanischen Label The Laser's Edge), bevor Führs und Fröhling später als Duo weiterwerkelten und man wiederum nach drei Alben vollständig getrennte Wege ging. Das tragische Ende der musikalischen Geschichte von SFF endete mit dem Tod von Gerd Führs, der 1992 leider viel zu früh verstarb und dem das CD Release von "The collected works" gewidmet ist. Doch auf einmal gibt es im Jahr 2002 wieder ein Lebenszeichen von SFF, auch wenn es sich "nur" um einen Konzertmitschnitt aus dem Jahre 1975 handelt und zwar von einem ihrer ersten großen Liveauftritte in Papenburg. Interessant vor allem deshalb, da man neben Titeln vom erst ein Jahr später erscheinenden LP Debüt "Symphonic pictures", noch drei bisher unveröffentlichte Titel zu hören bekommt, die aber ganz in der sonstigen Tradition des Trios stehen, um die es also wirklich schade gewesen wäre, wenn sie noch länger in den Archiven geschlummert hätten. Zudem enthält das Album eine Frühversion von dem erst viel später von Führs Fröhling veröffentlichten "Ammernoon". Einziger Kritikpunkt ist die etwas minderwertige, leichte dumpfe Klangqualität, durch die man stellenweise den Eindruck hat, dass hier noch immer ein Teil des Staubes, den die Bänder über mehr als 27 Jahre angesetzten, zu hören ist. Doch was ist nun die musikalische Faszination von SFF, für all denjenigen die das instrumentale Dreigestirn noch nicht kennen? Da wäre zum einen das perfekte Zusammenspiel, welches hauptsächlich auf sehr viel Mellotron, massive Keyboardklangteppiche und flirrende Gitarrenmelodien baut. Die Liveaufnahmen klingen dem Studioaufnahmen ebenbürtig, was beweist, dass hier keine Studiotüftler, sondern echte Könner ihrer Instrumente am Werk waren. Neben sehr viel sinfonischer Grundsubstanz, entwickeln gerade die frühen Aufnahmen von SFF auch jede Menge Komplexität, die jedoch immer im Einklang mit der Songstruktur, dem inneren Aufbauen stehen und nie allein zum Selbstzweck dienen. Als Vergleiche wurden sie damals als eine Mischung aus Genesis und King Crimson eingestuft, was sicherlich vom Grundgedanken zutrifft, SFF erzeugten jedoch eine ganz eigene Stilinterpretation und einen für sie typischen Sound. Auf "Live 1975" ist das Kernstück zweifelsohne, dass rund 27 Minuten lange "Modimidofre", hinter dessen eigenartigen Namen eine Frühversion von "Pictures" verbirgt, dem Kernstück des ersten Albums. Hier zeigt der Dreier aus Norddeutschland wirklich sein ganzes Können und wie es der Zufall so will, klingen hier einige Passagen sehr verdächtig originalgetreu nach Änglagård, denen wohl SFF auch nicht gerade unbekannt war. "Live 1975" sei allen Freunden typischem 70er Progressive Rocks wärmstens ans Herz gelegt. Wer sich auch noch die anderen Veröffentlichungen der Band zulegen möchte, hat auf der Seite von Nordseerecords (natürlich erreichbar über unsere Homepage) dazu ausreichende Möglichkeit. Soundbeispiele sind dort ebenfalls vorhanden.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2002