CD Kritik Progressive Newsletter Nr.41 (09/2002)

Las Orejas Y La Lengua - La eminencia inobjetable
(44:41, Viajero Inmovil Records, 1996)

Zuerst zu etwas ganz anderem, aber dies passt doch sehr gut zu dieser aktuellen Veröffentlichung aus Argentinien. Eigentlich soll man ja nicht über die Qualitäten anderer Kollegen urteilen, arbeitet doch ein Großteil der schreibenden Zunft im progressiven Blätterwald in seiner Freizeit und mit dementsprechend idealistischen Engagement. Wenn jedoch, wie im letzten Empire gelesen, behauptet wird, dass die südamerikanische Szene aus gerade mal zwei Bands besteht, dann geht einem doch glatt die imaginäre Hutschnur hoch. Klar haben Bands von dort nicht gerade einen großen Bekanntheitsgrad bei uns, aber mit etwas Recherche kann man problemlos feststellen, dass es dort sowohl in den 70ern, als auch noch heute eine recht aktive Szene mit zahllosen Bands gibt. Dass diese nicht unbedingt den europäischen Geschmack treffen, ist eine Sache, sie jedoch als nicht existent wegen mangelndem Wissen zu bezeichnen, ist weniger verzeihbar. Deswegen beim nächsten mal sich bitte etwas besser informieren bzw. recherchieren! Nach diesem kleinen Exkurs zurück zu Las Orejas Y La Lengua, der zweiten Band auf dem neu gegründeten Label Viajero Inmovil Records. Angekündigt als komplexe und anspruchsvolle Musik mit permanenten Wechseln im Rhythmus, fordernden Arrangements zwischen süßlichen Melodien und Experimenten, vergleichbar mit der Musik von Frank Zappa oder Miriodor. Keineswegs also leichte Kost und wer bereits die stilistischen Ursprünge der Musik am Anfang der Kritik gelesen hat, kann wohl in etwas ahnen, was in da musikalisch erwartet. 13 Songs auf gerade mal 44 Minuten, die sich ständig inhaltlich verändern, jedoch ohne dass man es hier mit Chaos oder ungeordnetem Durcheinander zu tun hat, mitnichten. Die Songs wirken recht aufgeräumt, jedoch weit davon entfernt, sich dem Hörer sofort zu erschließen. Nun sei mir verziehen, dass meine persönlich musikalische Belastbarkeit auch gewisse Grenzen hat bzw. Musik eigentlich schon noch von Rhythmus und Melodie beherrscht werden sollte. Deswegen wirkt vieles auf "La eminencia inobjetable" recht sperrig, auch wenn sich gelegentlich wirklich eindrucksvolle Passagen herausarbeiten, vor allem dann, wenn sich die Bands mehr in atmosphärische oder Jazz / Prog Rock beeinflusste Bereiche vorarbeitet. Doch fehlt insgesamt für meinen Geschmack der Musik eine eindeutige Linie. Trotz Experimentierfreudigkeit wirkt manches doch nach Stückwerk, nicht einheitlich. Somit definitiv ein Album für aufgeschlossene Gemüter und für das argentinische Label sicherlich keine Megaseller, womit natürlich auch die Fortführung des eigenen Schaffens in Frage gestellt sein wird.

Kristian Selm



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