CD Kritik Progressive Newsletter Nr.41 (09/2002)

Modrý Efekt & Radim Hladík - Modrý Efekt & Radim Hladík
(48:21, Bonton, 1974)
M.Efekt - Svet Hledacu
(69:05, Bonton, 1979)

Die weite Welt des Prog Universums wartet glücklicherweise immer wieder mit neuen Entdeckungen aus der Vergangenheit auf. Bereits im vorletzten Heft sorgte das 81er Werk "33" der tschechischen Formation M.Efekt für wahre Begeisterungsstürme beim Hauptschmierfinken, jetzt gibt's gleich mit zwei Alben einen nicht minder begeisternden Nachschlag. An was liegt's? M.Efekt verfügen zum einen über ausgezeichnete Musiker, zum anderen sind ihre teils der 10-Minuten Grenze wandelnden Kompositionen abwechslungsreich und gekonnt arrangiert, Spannungsbögen, prägnante Melodien, sowie begeisternde Instrumentalteile geben den Songs den rechten Kick. Das titellose Debüt von 1974 lebt noch viel mehr als die Nachfolger von Gitarrist Radim Hladík, der in seiner Heimat auf die gleiche Stufe wie Jimi Hendrix und Eric Clapton gestellt wurde. Durchaus verständlich, denn sein variationsreiches Spiel zeugt einerseits von technischem Können, andererseits auch von sehr viel Gefühl und dem Gespür für die richtige Spielweise im rechten Moment. So lässt er mal bluesig die Saiten heulen, setzt sanft die Saiten in Schwingungen, beherrscht aber auch das fingerfertige Spiel. Im Gegensatz zu den späteren Album gibt es mit Gastmusikern an Flöte und Saxophon ein weitere Klangfarbe bei Modrý Efekt, die sich später nur noch kurz M.Efekt nannten. Das Debüt ist weniger sinfonisch, auch wenn hier und da yesiges Feeling aufkommt. Insgesamt um einiges komplexer, jazziger, mit leichtem Canterbury Appeal und härter, man übernimmt sogar einige Inspirationen vom damals erfolgreichen Hard Rock. Dies soll aber keineswegs heißen, dass kein Platz für Melodie und lyrische Momente mit Ruhe ist, doch meint man die treibende Kraft und Aufbruchstimmung hier viel mehr zu finden, als bei den späteren Aufnahmen. Gesang spielt fast gar keine Rolle, wird nur bei einem Lied als weiteres "Instrument" im virtuosen Miteinander eingesetzt. Ein starkes, erstes Statement - vor allem für Fans von kraftvollem, instrumentalen 70er Prog Rock eine Empfehlung wert. Fünf Jahre später gibt auf "Svet Hledacu" bereits der fantastische Opener "Za Krokem Zen" die gewandelte, wesentlich melodischere Richtung vor. Lange Instrumentalparts, mal mehr sinfonisch, mal rockig, fast schon hin bis zum Jazz Rock, dominieren dieses fast 12-minütige Werk. Gitarrist Radim Hladík zeigt hier die ganze Palette seines Könnens, die Keyboards sorgen für ergänzende Klangteppiche und mit dem tschechischen Gesang für das ausgewogene Gegengewicht. Wenn auch tschechisch für die Ohren recht hart klingt, so passt dies einfach zur Musik von M.Efekt und englisch würde nur aufgesetzt und keineswegs authentisch klingen. Auch der Rest der Scheibe offenbart immer wieder wuchtige Intermezzi, die nicht nur hohlen, leeren Bombast, sondern als weiteres Stilmerkmal, dynamische Tiefe liefern. M.Efekt nehmen sich stellenweise auch zurück, um mit dramatischer Melancholie eine weitere Palette ihres Könnens zu offenbaren. Selbst vor experimentellen Klangeskapaden wird nicht Halt gemacht, doch dienen sie mehr als Ergänzung zum Gesamteindruck, denn als Fremdkörper in diesem kompakten und zugleich sehr variationsreichen Album. Beide CDs haben wieder jede Menge Bonusmaterial, die vor allem bei "Svet Hledacu" keineswegs die Klasse vom Original LP Material erreichen, sondern vielmehr als kostenlose Beigabe zu betrachten sind. So ist dort ein Großteil der Titel eher einfacher, rockiger, scheinbar kommerzieller gestrickt. Manchmal erweckt sich der Eindruck, als ob man hier eine "light-progressive" Version eines nicht verwendeten Beitrages für den Eurovision Songcontest zu hören bekommt. Okay, okay, ganz so schlimm ist die Qualität nicht, aber außer recht nettem Bonusmaterial zum Nebenbeihören, erreichen die Tschechen hier natürlich nicht den Standard des zuvor gehörten LP Materials. Als Vergleich lassen sich M.Efekt am ehesten mit den polnischen Kollegen von SBB auf eine Stufe stellen. Beide Bands bedienen deutlich die späte 70er Progressive Rock Schiene, verleugnen aber dennoch nicht ihre osteuropäische Heimat, zudem baut man auf Fusion und Jazz Rock Elemente ohne überdeutliche Dominanz. M.Efekt sind auf jeden Fall eine Entdeckung wert und gehören definitiv zum Besten, was Osteuropa in den 70ern zu bieten hatte.

Kristian Selm



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