CD Kritik Progressive Newsletter Nr.41 (09/2002)

Haikara - Tuhkamaa
(37:39, Mellow Records, 2001)

Die Finnen sind schon ein lustiges Völkchen. Da sitzen sie ganz oben im Norden von Europa, sind meist strohblond, der Teint frisch käseweiß gekalkt und außer einigen bekannten Sportlern, einem Handy Hersteller und den weltbesten Wodka, kennt man nur sehr wenig von den Nordlichtern am Rande des Polarkreises. Um so erstaunlicher und überraschender ist da schon der Blick in die finnische Seele, denn einen so durchgeknallten musikalisch Ideenreichtum vermutet man gar nicht hinter der Fassade, der auf den ersten Blick so unterkühlt und temperamentlos wirkenden Suomis. Haikara gehören zu den klassischen finnischen Progbands und trieben bereits in den 70ern ihr Unwesen. Nach einigen Irr- und Wirrungen gibt es mittlerweile eine reformierte Version der Band, die sich aber musikalisch nur noch sehr entfernt mit der musikalischen, teils sehr abgedrehten Vergangenheit zwischen Jazz, Rock und Beat vergleichen lässt. Die neue Ausgabe von Haikara ist da wesentlich zugänglicher, aber dennoch nicht uninteressant, da es immer noch genügend progressive und leicht jazzige Verweise gibt. Über dem gesamten Album hängt eine sehr melancholische Atmosphäre, die vor allem dadurch unterstrichen wird, das traurig klingendes Cello und Saxophon eine führende Rolle übernehmen. Das leicht verschnarcht sabbelnde Organ von Vesa Lattunen unterstützt dies noch zusätzlich. Ein weitere typisch finnische Note kommt durch gelegentlich stolpernde Humpa Rhythmen hinzu, der finnischen Variante von Polka. Ein paar Walzertakte noch dazu und schon fühlt man sich zwangsläufig an eine gemäßigte Version der leider inzwischen aufgelösten Höyry-Kone erinnert. "Tuhkamaa" ist kein Album voll überraschenden Wendungen, sondern fast nur traurig und trübselig kriechen die acht Titel aus dem Äther. Kurz blitzt immer wieder Ironie und Witz mit jazzigen Ausflüge auf, ansonsten suhlt man sich selbstverliebt in den eigenen Depressionen, die dennoch erstaunlich melodiös daherkommen. Ein Album aus dem tiefsten nordischen Winter - dunkel, aber schön.

Kristian Selm



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