CD Kritik Progressive Newsletter Nr.41 (09/2002)

Escapade - Rule #3
(66:12, Mother West, 2002)

Free-Rock, Out-Rock, Post-Rock, Psych, Avant und Space Rock, dies sind die Begriffe, die bisher von den Kritikern benutzt wurden, um die Musik von Escapade zu beschreiben. Hinter den seit 1996 existierenden Escapade steckt die Idee von Schlagzeuger Hadley Kahn, mit anderen Musikern spontane Kompositionen auf den Grundlagen der Rockmusik entstehen zu lassen. So ist auch "Rule #3", wie bereits die Vorgänger, sehr von offenen Gedanken geprägt. Langsam entwickeln sich die Stücke, die alle über einen sehr improvisativen Charakter, zugleich ebenfalls über einem dramatischen Aufbau verfügen. Kriechende Klanglandschaften, die von trägen Rhythmen vorangetrieben werden und über denen sich mal die Gitarre, Keyboards oder Samples in teils verfremdeten verzerrter, verfremdeter Art erheben. Im Gegensatz zu Bands wie Godspeed You Black Emperor!, die mit ganz langsamen Dynamiksteigerungen arbeiten, Soundwälle aufbauen und wieder einreißen, erscheint die Musik von Escapade greifbarer, eher von anhörbaren und nachvollziehbaren Harmonien und Melodien durchzogen. Dennoch verzetteln sich die Amerikaner in ihrem freien Spiel ebenso in sehr sperrige Parts, die hart im Bereich von Avantgarde und Klangcollagen stehen, im Grunde genommen nur noch am Rande etwas mit "Musik" im eigentlichen Sinne zu tun haben. Doch besteht ein Großteil dieses Album aus durchaus ansprechendem Material, mit einer fast völlig improvisierten Version von Pink Floyd's "Interstellar overdrive" hat man sich zum ersten Mal sogar an eine recht offene Coverversion gewagt, aus der eigentlich nur noch die ursprünglichen Anfangsakkorde überlebt haben. Insgesamt ein sehr freakiges, kosmisches Album, auf einem Trip in andere, nicht immer sehr einfach zu erahnende Sphären. Einfach genial oder herrlich überzogen abgedreht.

Kristian Selm



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