CD Kritik Progressive Newsletter Nr.40 (06/2002)

PhoenixEye - The adventures of the king
(55:07, Privatpressung, 2001)

Was doch Kritiker beim Anhören einer CD alles so herauszuhören glauben. Da schreibt ein holländischer Kollege über "The adventures of the king" von Phoenix Eye etwas von "exzellentem Neo Prog à la Pendragon, IQ und Jadis" - Thema vollkommen verfehlt, Note sechs, setzen. Ein kanadischer Schreiberling hört: "Ihre Musik ist Rock, aber beinhaltet Jazz Einflüsse. Sie erinnern etwas an Deus Ex Machina, bloß melodischer" - na ja, schon etwas besser, aber auch noch nicht das Gelbe vom Ei. Doch glücklicherweise gibt es ja auch noch Leute, die sich etwas mehr auskennen: "Diese neue Band aus Montreal spielt 70er Jahre Progressive Rock, mit jeder Menge ELP Einfluss in den Keyboards, auch wenn ihr gesamter Stil sich auch bei anderen Quellen bedient. Es gibt auch Vergleich zu ihren Landsleuten von Nathan Mahl". Gar nicht so schlecht diese Beschreibung. Doch genug die anderen rund gemacht, hier kommt mein ganz eigener Senf. PhoenixEye bestehen aus dem Duo Julien Valiquette (Keyboards, Gesang, Programming, Flöte) und Mic Myette (Gitarre, Bass), wobei als Gäste noch Denis Labrosse am Fretless Bass und der Spaced Out Schlagzeuger Martin Maheu mitwerkeln. Und obwohl hier ein Schlagzeuger mit von der Partie ist, muss leider als gleich sauer aufstoßendes Manko angemerkt werden, dass der Drumsound meist äußerst synthetisch bzw. sehr technisch wirkt. Ganz im Gegensatz zu den instrumentalen Fähigkeiten der beiden Franco-Kanadier. Wie schon richtig bemerkt, erinnern einige Keyboardattacken stark an Keith Emerson, die Gitarre bewegt sich auch schon mal in jazzigen Allan Holdsworth Gefilden. Auf jeden Fall geben beide Protagonisten an ihren Instrumenten mächtig Gas, gegenläufige Melodielinien, ineinander verschachtelte Soloparts, ein steter Kampf des Mit- und Gegeneinanders, geben den Liedern einen nervösen, aber dennoch sehr interessanten Grundcharakter. Da einiges aber dadurch auch recht fragmentiert wirkt, hat es der Hörer teilweise schwer dem Gehörten sofort zu folgen, die angedachte Struktur gleich zu erkennen bzw. durch zum Teil fließende Übergänge, die Songs überhaupt auseinanderhalten zu können. Doch nach dem dritten bzw. vierten Hördurchgang wird die Sache langsam klarer, da zwischendurch auch immer wieder einfacher zu durchschauende Passagen folgen. Der Gesang hat dabei mehr die Aufgabe als weiteres Bindeglied in der Musik zu dienen, denn nur selten gipfelt ein Stück in irgendwelche Refrains, zum Teil gibt es sogar an Gentle Giant erinnernden Satzgesang. Durch die Verbindung von deutlicher 70er Jahre Progressive Rock Reminiszenzen und moderatem Jazz Rock hat die Musik von PhoenixEye nicht nur einen sehr quirligen, sondern ebenfalls sehr lebendigen Charakter, die den Hörer nie zur Ruhe kommen lässt, definitiv nicht geeignet als Hintergrundmusik für einen gemütlichen Abend zu zweit - es sei denn man braucht einen Auslöser für einen handfesten Beziehungskrach! "The adventures of the king" ist ein musikalisch äußerst abwechslungsreiches Album voller überraschender Wendungen und Lebendigkeit. Dennoch hätte ich mir mehr Widerhaken für das Gedächtnis in der Musik gewünscht, da dadurch mehr Eigenständigkeit der einzelnen Songs erreicht worden wäre. Nichtsdestotrotz eine Band, die ihr Handwerk versteht, am Songwriting noch etwas arbeiten sollte, aber allemal ein spannendes und aufregendes Debüt vorgelegt hat.

Kristian Selm



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