CD Kritik Progressive Newsletter Nr.40 (06/2002)

Parallel Or 90 Degrees - More exotic ways to die
(47:55, Cyclops, 2002)

Sie gehören sicherlich zu einer der unterbewertetsten Bands im weiten Feld des Progressive Rock Bereichs. Dies mag vielleicht zum Teil an ihrem Label liegen, da sie nicht so ganz in die sonstige musikalische Ausrichtung von Cyclops passen, ein weiterer Grund mag auch daran liegen, dass sie sich nicht so einfach in eine Schublade stecken lassen. Doch wer die Band schon mal live sehen durfte (z.B. letztes Jahr beim Progfarm Festival in Holland) oder sich intensiver mit ihren Alben beschäftigt, der kann das offensichtlich aufstrebende Potenzial von Parallel Or 90 Degrees erkennen, welches auf dem neuen Longplayer "More exotic ways to die" einen neuen Höhepunkt erfährt. Aufbauend auf der unbestreitbaren Livepräsenz dieser Band wurde das neue Album zum Großteil "Live im Studio" aufgenommen, um das Feeling ihrer Auftritte einzufangen. Zudem gibt es noch weitere, live in Holland bzw. England mitgeschnittene Titel, die den Livecharakter des Albums noch weiter unterstreichen. Trotz eines losen Konzeptes, welches sich mit Themen aus dem Mittelalter beschäftigt, ist die Scheibe eindeutig songorientiert. Auch musikalisch beziehen Parallel Or 90 Degrees ihre Wurzeln eindeutig aus dem Progressive Rock der 70er, am ehesten noch an Bands wie Van Der Graaf Generator, King Crimson oder Emerson Lake Palmer angelegt, doch der moderne Ansatz von Bands wie Radiohead, Porcupine Tree oder Nine Inch Nails ist unverkennbar. Dennoch kommt dabei als Ergebnis etwas absolut eigenständig heraus, wobei sich vor allem die neuen Bandmitglieder Dan Watts (Gitarre) und Alex King (Schlagzeug) als Glücksgriff erweisen. Vor allem ist es Watts, der mit seinem Spiel und seinen Kompositionen der Musik mehr Drive, Gitarrenpower und einen zeitgemäßeren Anstrich verleiht. So stehen neben den mehr melancholischen, getragenen Nummern von Bandleader, Sänger und Keyboarder Andy Tillison Diskdrive, moderne, aggressive Sounds mit jeder Menge Samples und richtig euphorischen Psychedelic / Post Rocknummern, die aber dennoch den Bogen zur Vergangenheit schlagen. So klingt "The Heavy Metal Guillotine approach" wie eine Vereinigung von frühen Pink Floyd, Space Rock und modernem Alternative Rock, "The dream" wechselt zwischen sphärischen Parts und gewalttätigen Heavy Gitarrenakkorden, die man in dieser Heftigkeit von den Briten bisher gar nicht kannte. "More exotic ways to die" beinhaltet zudem jede Menge gute Melodien, die durch oftmalige Dynamiksprünge angereichert werden. Ein wirklich Klassealbum, dass sich auch nach mehreren Durchläufen nicht abnützt, sondern noch wächst. Als besondere Ergänzung gibt es zudem einen umfangreichen Multimediateil, der neben dem kompletten 89er Album "Running rings", auch die Compilation CD "Enjoy your own smell" als MP3-Files mit Artwork zum Ausdrucken enthält. Des weiteren noch ein Video, sowie als besonderen Bonus Parallel Or 90 Degrees Interpretation des kompletten(!) "Dark side of the moon" Albums. Weitere Songschnipsel bzw. Out-Takes runden den gelungenen Extrateil ab, womit man somit neben dem kompletten neuen Album, auch einen Streifzug durch die Geschichte der Band unternehmen kann. Oder mit den Worten der Band zu enden "If music is going to be as creative as it was then...it starts now"

Kristian Selm



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