CD Kritik Progressive Newsletter Nr.40 (06/2002)

Niacin - Time crunch
(56:10, Magna Carta, 2001)

Niacin werden immer besser. Das Debüt der drei Fusion-Enthusiasten war noch etwas steif, die Energie, die Lust rollte noch nicht so ganz. Doch schon das zweite Album ließ die Hammond brachiale Soundgewitter ausstoßen, den Bass heftig explodieren und das Schlagzeug eine irrsinnige Kanonade komplizierter und dennoch groovender Rhythmusfiguren abschießen. Billy Sheehan (bs), John Novello (Hammond B3) und Dennis Chambers (dr) legen noch ein paar Kohlen auf für "Time crunch" - ihr drittes Werk. Das hyperenergische Trio lässt die Boxen kochen! Nie waren Niacin besser zusammengeschmiedet und sie waren schon immer gut. Doch dieser Streich hat die ganz große Klasse. Gleich der Opener "Elbow grease" fegt los wie ein Derwisch, von der Tarantel gestochen. Ein heftiger Funk-Jazz auf dynamischer Rhythmus-Basis, der für großen Spaß sorgt. Wenn die DJïs dieser Welt noch Ohren hätten, würden sie diesen Track jeden Abend spielen. Dennis Chambers scheint 8 Arme zu haben, Billy Sheehan rast über den Bass, dass es eine Freude ist und John Novello zieht alle Register. Der Song könnte 1963 eingespielt worden sein (wenn es damals schon die Technik gegeben hätte, die das klare Soundbild erlaubte), in der besten Zeit für diese Jazz-Phrasierungen. Authentischer (und vor allem heftiger) hätte er jedoch nicht sein können. Und so geht es weiter, bis plötzlich das King Crimson - Cover "Red" erklingt! Keine Gitarre, aber mindestens ebensoviel brachiale Gewalt. Diese Orgie wüstester Heavy Rock hat hier vollste Berechtigung. Kein Clicheé wird bedient, Niacin wissen eigene Nuancen zu setzen, obwohl sie sich dicht am Original halten. Das folgende "Invisible king" - eine Ballade - lädt zum Ausruhen ein. Und hier wie auch schon vorher angespielt, sind es kleine klassische Motive, die den Jazz Rock so richtig interessant machen. Nach weiteren heftigen Hard Funk Jazz Rock Stücken ist "Glow" wieder eine schöne Ballade und das abschließende Jan Hammer Cover "Blue wind" lässt es noch mal so richtig krachen. Niacin holen alles aus ihren Instrumenten raus, es ist zu hören, dass sie viel Spaß beim Einspielen der Songs hatten. Je älter die Männer werden, um so besser werden sie. Klar, sie konzentrieren sich mehr und mehr auf Musik, die Vererbung ihrer Gene nehmen sie lässiger.

Volkmar Mantei



© Progressive Newsletter 2002