CD Kritik Progressive Newsletter Nr.40 (06/2002)
Dreadnaught - The american standard
(55:16, Red Fez Records, 2001)
In jenen Augenblicken, wo man schon meint alles gehört zu haben, erscheinen auf einmal neue Bands, in diesem Falle Dreadnaught, auf der Bildfläche und reißen die eingefahrenen Hörgewohnheit plötzlich aufs Neue ein. Das amerikanische Trio beschreibt seinen eigenwilligen Stil als "Progabilly", andere Gazetten titulierten sie als "Zappa trifft Yes bei einem BBQ bei Willie Nelson" (Boston Soundcheck). Ganz schlicht gesprochen kombinieren sie einfach Versatzstücke aus Progressive Rock, amerikanische Folk- und Countryelemente mit einer Prise Klassik und Jazz. Und so ist auch die Vergleichsliste mit so unterschiedlichen Bands und Künstlern wie King Crimson, Little Feat, Aaron Copeland, Frank Zappa, Primus, Yes, Mr.Bungle, Rush oder Phish gleichzeitig umfangreich, wie auch immer nur in Ansätzen korrekt. Dreadnaught sind einfach eine Rock'n'Roll Mutation der besonderen Art. So überrascht es nicht, dass der Hörer gleich mit einem furiosen, krachenden Instrumental als Opener geradezu überfahren wird. Kraftvoll, geradeaus, direkt - pumpender Bass, schräge Heavygitarrenriffs, virtuoser Rhythmus, auf einmal von sanften Violinenparts gestreichelt. Ganz so als ob man King Crimson's "Red" melancholisch durch den Fleischwolf gedreht hätte. Von diesen Wiedersprüchen und stilistischen Wechseln ist das komplette Album durchzogen, was dabei ständig Überraschendes zu Tage fördert. Die Wechsel sind dabei jedoch nicht zu krass und zudem kommt das auf mannigfaltigen Konzerten erprobte Zusammenspiel und musikalische Verständnis dem Dreier zu Gute. Was sich jedoch auf Dauer einschleicht, ist einerseits eine Art "Gewöhnung" an das bestens organisierte Durcheinander, wie ich persönlich einfach die griffigen Ideen vermisse, die den Songs so etwas wie einen Wiedererkennungswert geben. So ist es selbst bei mehrmaligen Anhören etwas schwierig, die Lieder auseinander zuhalten, da man ihnen eine gewisse Spröde und Unnahbarkeit nicht abstreiten kann. Dreadnaught verzichten übrigens fast vollständig auf jegliche Tasteninstrumente, so dass vor allem die Gitarre die Führungsrolle übernimmt, ab und zu abgelöst durch Einsätze an Violine, Saxophon oder andere exotische Instrumente wie Kazoo. Zweifelsohne übt die Musik von Dreadnaught dennoch eine unbestreitbare Faszination aus, so dass auch ich mich gerne durch das Album "durchkämpfe". Das interessante Cover Artwork stammt übrigens von den Brothers Hildebrandt, die u.a. auch 1977 das erste Star Wars Poster entwarfen, sowie sich für den Lord of the Rings Kalender zuständig zeichneten. "The american standard" ist somit sicherlich nicht etwas für die breite Masse, denn dazu verzichtet das Progabilly Trio doch gewollt auf Zugänglichkeit und melodische Kompaktheit. Wer sich jedoch an eine mehr gitarrendurchtränkte Version von diversen Stilen mit deutlicher Prog Dominanz herantraut, für den ist Dreadnaught sicherlich eine interessante Entdeckung.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2002