CD Kritik Progressive Newsletter Nr.40 (06/2002)

Caravan - Live at the Fairfield Halls
(79:58, Decca, 1974)

Achtung Outing! Jetzt habe ich wieder mal eine prima Chance, meinen Ruf als kompetenter Kritiker - ja, ja, ich weiß, ihr alten Lästermäuler, ich bin wahrscheinlich der Einzige, der mich selbst für kompetent hält! - völlig zu ruinieren. Trotz mannigfaltigen Versuchen zu einigen anerkannten Bands im Progressive Rock vorzudringen, war mir das Glück des persönlichen Gefallens nicht immer zugegen. Doch die Zeit heilt manche Wunden: Magma flogen beim ersten Versuch nach wenigen Sekunden mit Entsetzen aus dem Player, King Crimson brauchten ebenfalls sehr viele Durchläufe, wobei Alben wie "Islands" immer noch nichts für mich sind, aber inzwischen gehören beide Bands definitiv zu den All Time Favourites. Tja, aber da gibt es noch zwei Bands, mit denen ich bis heute immer noch nicht ganz warm geworden bin: zum einen Van der Graaf Generator und zum anderen Caravan. Lange Vorrede, wieder fast gar kein Sinn: so geht es bei dieser Kritik nicht nur um Caravan, sondern auch um den wiederholten Versuch endlich die Faszination dieser Band zu durchschauen. Um es gleich vorweg zu nehmen: ich bin inzwischen restlos vom 1974 aufgenommenen Livealbum "Live at the Fairfield Halls" begeistert, das nach langer Wartezeit endlich dieses Jahr von Decca Records ausgegraben und auf CD wiederveröffentlicht wurde. Waren mir Caravan bisher zu jazzig - lag wahrscheinlich daran, dass ich mich erfolglos mit den ersten Alben beschäftigte - so gibt es auf diesem Konzertmitschnitt hauptsächlich Material vom 73er Werk "For girls who grow plump in the night" zu hören, welches für Caravan Verhältnisse etwas kommerzieller angelegt ist. Die Faszination dieser Livescheibe liegt dabei vor allem im fantastischen Zusammenspiel von Geiger Geoffrey Richardson, der für jede Menge frischen Wind sorgt und Keyboarder David Sinclair, die beide ganz locker einige mitreißende Soli aus den Ärmel schütteln. Die ausufernden Instrumentalparts steigern sich häufig in geradezu euphorische Stimmungen. Ob im Zusammenspiel oder im eigenen Solo, ergänzt um einige feine Gitarrenlinien von Pye Hastings, sowie vorangetrieben von der Rhythmustruppe um Mike Wedgewood und Richard Coughlan, dies ist die perfekte Vermischung von 70er Progressive Rock und groovigem Jazz Rock in bester Canterbury Tradition. Und nicht von ungefähr klingen einige Passagen nach den frühen Camel, auch wenn erst später bei "Breathless" (1978) und "I can see your house from here" (1979) ehemalige Mitglieder von Caravan mitspielten. So macht es eben manchmal doch Sinn, es einfach mehrfach mit den bestimmten Bands zu versuchen. Caravan erscheinen für mich mit diesem tollen Livealbum auf einmal in einem ganz anderen Licht - jetzt ist demnächst der Rest der Diskographie nochmals an der Reihe!

Kristian Selm



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