CD Kritik Progressive Newsletter Nr.3 (04/95)

The Surgery - Holy umbrella
(43:50, Silver Elephant, 1994)

Zugegebenermaßen tue ich mich sehr schwer mit Veröffentlichungen aus Japan. Musikalisch haben die Gruppen ja meistens einiges zu bieten, wenn da nicht dieser grauenhaft hohe Gesang wäre, bei dem man selten weiß, ob er von einem Sänger oder Sängerin kommt. So gefiel mir bisher nur der Instrumental Jazz Rock von Kenso oder Bombastrock von Vienna. Aber jetzt gibt es mit The Surgery doch endlich mal wieder eine Veröffentlichung aus dem Land der aufgehenden Sonne, die meine Zustimmung findet. Die Truppe besteht aus drei Musikern: Toshiki Horisawa (Gitarre, Gesang, Programming), Tsuneo Komine (Bass) und Kenshin Moriwake (Schlagzeug). Damit die Musiker nicht nur aufgrund ihrer Namen aufgelistet sind, sei bemerkt, dass alle drei ihr Handwerk beherrschen. Wie fast immer bei japanischen Produktionen, sind die Aufnahmen gut produziert, doch mit einer Spieldauer von 44 Minuten schreckt natürlich der hohe Importpreis etwas ab. Aber meiner Meinung nach lohnt sich diese Investition trotzdem. Zur Musik: The Surgery bieten heavylastigen Gitarrenrock mit progressiven Elementen. Die Musik ist aber weder vergleichbar mit den vielzitierten Dream Theater oder anderen Prog Metallern, wie zum Beispiel Threshold oder Queensryche. Vielmehr spielen die drei Japaner einen Stilmix, der von ruhigen Balladen ("The gate of your love"), typischem Nippon Bombastrock ("The other side of the world") und vor allem, wie oben bereits erwähnt, abwechslungsreichen heavylastigen Gitarrenrock reicht. Bei den zwei Instrumentalstücken "Slight pain" und "Tenroku Boogie" fallen aber auch gewisse Parallelen zum Gitarrenrock von Joe Satriani oder Steve Vai auf. Die Musik wird zwar hauptsächlich von der Gitarre geprägt, aber Bass und Schlagzeug bieten als Gegensatz eine rhythmisch ausgefeilte Grundlage, die nicht nur wie bei reinem Heavy Metal oder Hard Rock meist ziemlich eintönig vor sich hindrischt. So taucht auch mal ein funkiger Bass à la Mark King auf. Daneben ist der Gesang für westliche Ohren doch recht verträglich, von den sechs Gesangsstücken sind vier komplett in englisch und zwei Songs gemischt japanisch-englisch. Durch die dominante Gitarre und die sparsam eingesetzten Keyboards wirkt die Musik auch nicht, wie so oft bei Musik aus dem Land der aufgehenden Sonne, überladen und inhaltlich leer, sondern eher erdig-rockig. So ist diese Scheibe vor allem denen empfohlen, die es eher etwas rockiger mögen und druckvollere Musik bevorzugen. Noch eine Warnung: neben "Holy umbrella" gibt es von The Surgery noch eine EP, die aber mehr in Richtung Hard Rock abgeht und auch musikalisch gegenüber dem Longplayer abfällt.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1995