CD Kritik Progressive Newsletter Nr.39 (03/2002)

Wigwam - Plays Wigwam
(59:00 + 54:21, EMI, 2001)

"Und Wigwam? Was ist Wigwam - hab ich noch nie gehört." So wie Morgan Ågren beim Interview im letzten Heft mag es vielen gehen, die nicht so tief im Progressive Rock der 70er verwurzelt sind. Deswegen an dieser Stelle etwas Nachhilfe und ein Kurzabriss der Bandbiografie: Wigwam sind zweifellos die bekannteste Progressive Rock Band Finnlands und können auf eine wechselhafte Geschichte seit der Bandgründung 1968 zurückblicken. Während man mit progressivem Blues Rock und eher kurzen Titeln begann, schälten sich in den kommenden Jahren immer mehr die drei verschiedene Stile der drei Hauptkompositeure durch. Der bis heute als einziges Urmitglied verbliebene Jim Pembroke war für die kurzen, eher poppigen Stück zuständig, Keyboarder Jukka Gustavson verfolgte die komplexere, sinfonischere Schiene, Bassist Pekka Pohjola (später u.a. auch mit Mike Oldfield aktiv) ging mit seinen Kompositionen in die avantgardistische, Jazz-Rock durchsetzte Richtung. Nach der kurzfristigen Bandauflösung ging es ab 1975 in veränderter Besetzung und stilistischer, fast völliger Neuausrichtung mit weniger Komplexität und mehr Rockelementen weiter, um dafür mit "Nuclear nightclub" das kommerziell erfolgreichstes Album der Bandgeschichte vorzulegen. Durch die aufkommende Punk Welle und dem daraus resultierenden Verlust des Plattenvertrags, lösten sich Wigwam 1978 schließlich zum zweiten mal auf. Im Zuge der Reunions in den 90er, kamen auch Wigwam wieder zusammen und nahmen 1993 mit "Light ages" sogar ein neues Album auf. Nach einigen, eher ruhigen Jahren, gibt es jetzt mit der Doppel Live CD "Wigwam plays Wigwam" wieder ein neues Lebenszeichen der Finnen, dass wegen des einheimischen Bekanntheitsgrades sogar bei EMI veröffentlicht wurde. Da neben Jim Pembroke, die ab 1975 bei der zweiten Reinkarnation von Wigwam miteingestiegenen Pekka Rechardt (Gitarre) und Måns Groundstroem (Bass) mit von der Partie sind, wird komplett auf das wesentlich komplexere Frühmaterial der Band komplett verzichtet. Dafür wird das 75er Album "Nuclear nightclub", bis auf einen Titel, komplett gespielt. Ergänzt durch Material vom 76er Nachfolger "Lucky golden stripes and starpose" und 77er "Dark album", sowie der Single "Tramdiver" und dem Liveklassiker "Grass for blades" ist das musikalische Hauptaugenmerk deutlich auf die Vergangenheit ausgerichtet, auch wenn kurz ebenfalls das letzte Studioalbum "Light ages" gestreift wird. Ansonsten handelt es sich aber bei "Wigwam plays Wigwam" um einen gelungenen Nostalgieausflug, der keineswegs so angetagt klingt, wie es vielleicht der zeitliche Rückriff erwarten lässt. Bestimmt wird der Sound der Finnen von der Gitarre, die Keyboards verrichten ihr Beiwerk in einer untergeordnete, mehr begleitenden Rolle, dürfen sich aber einige mal auch solistisch in den Vordergrund drängen. Man sollte keineswegs zu verschachtelte Arrangements erwarten, bei Wigwam stehen eindeutige die Rockwurzeln im Vordergrund. Doch immer wenn die Keyboard aus ihrer Begleiterrolle herauskommen oder die Gitarren zu endlosen Soli aufbricht, dann wird's richtig packend. Eben einfach guter 70s Gitarren Rock mit leicht sinfonischem Einschlag - ehrlich, geradeaus und einfach gut. Am Mischpult stand übrigens Ageness Sänger Tommy Eriksson, der für einen ausgezeichneten Sound sorgt. Mit diesem Livealbum dokumentieren Wigwam dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören und trotz leichter alterbedingter Abnutzungserscheinungen, immer noch ihr teils mehr als 25 Jahre altes Material interpretieren können.

Kristian Selm



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