CD Kritik Progressive Newsletter Nr.39 (03/2002)
Llanfair P.G. - Friendly faces / Bestarium
(52:57, Privatpressung, 2001)
Die Suche nach einem passenden Bandnamen erreicht manchmal schon eigenartige Auswüchse. Die aus St.Petersburg stammenden Llanfair P.G. wählten die offizielle Kurzform des walisischen Dorfes Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch. Hauptsächlich wurde der schier unaussprechliche gälische Namen als Verbindung zur keltischen Kultur gewählt, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Musik der Russen hat. Interessant sind auch die Beurteilung anderer Kritiker, die die 1994 gegründete Band schnell in die Gothic Schublade stecken wollten, wobei die umfassende Beschreibung "Progressive psychedelic hard punk-metal-gothic-doom-folk. Irish, of course!", die Sache vielleicht am Umfassendsten beschreibt. Will man es jedoch am einfachsten auf einen Nenner bringen, so sind besonders die folkigen und progressiven Wurzeln am deutlichsten hörbar ausgeprägt. Verpackt in einem ansprechend gestalteten, aufklappbaren Pappschuber liegt die Stärke von "Friendly faces Bestarium" zum einen in den sehr stimmungsvollen, düsteren, mehr zurückgehaltenen Passagen, wobei hier auch teilweise das Mittelalter mit Spinett seine Wiederauferstehung feiert. Zum anderen sorgt manch ausschweifendes Gitarrensolo, manch melodisch vertrackte Verquickung für die offensichtlichen Prog Reminiszenzen. Auch verstehen sich die Russen ausgezeichnet darin, mysteriöse und sphärische Stimmungen zu erzeugen. Ganz im Gegensatz dazu stehen die eher wüsten Brachialattacken, wie der temporeiche, auf den Hörer etwas verstörend wirkende Saufgesang beim Opener "The callin'-on song" oder der Honky Tonky Heavy Kracher "Werwolves song", der mit gurgelndem, gierigen Werfolgsgesang aufwartet. Und wie leider so oft, wären wir auch schon beim Kritikpunkt dieses Albums angelangt: der Gesang. Ganz so schlimm wie bei vielen anderen Produktionen fällt hier die Kritik nicht aus, da die dunkle, etwas monoton wirkende Stimme von Mastermind Doctor Leopoldus, der sich zudem auch für Gitarre, Geige, Mandoline und Flöte auszeichnet, recht gut zur Atmosphäre der Musik passt. Da gilt es schon mehr über die seltenen Einsätze von Chanteuse Eléan Ó Bí zu meckern, die mit ihrer hohen Stimmlage und vor allem ihrem starken Akzent nicht immer ganz passend wirkt. Doch genug gemosert, denn neben diesen kleinen Kritikpunkten und einigen derben Stilwechseln, sind es vor allem die immer euphorischen Soloteile, in denen sich die Gitarre und gelegentlich auch die Keyboards richtig austoben können. Mal elegisch in bester Neo Prog Tradition, dann mit Hard Rock Einflüssen versehen oder auch in bester Anlehnung an den Prog Rock der 70er. Vor allem die meist gelungene Verbindung von Folk (mit Geige und Flöte), Hard Rock, mittelalterlicher Musik und Prog macht dieses Album über weite Strecken zu einem ansprechenden Hörgenuss.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2002