CD Kritik Progressive Newsletter Nr.38 (01/2002)

Kraan - Wintrup
(43:19, Intercord, 1973)
Kraan - Andy Nogger
(38:04, Intercord, 1974)
Kraan - Let it out
(39:00, Intercord, 1974)
Kraan - Berliner Ring
(72:40, Bassball Recording, 2001)

Lange hat sich Intercord Zeit gelassen, aber endlich gibt's die fehlenden Kraan Studioalben aus der Zeit von 1973-75 auf CD. Und das Warten hat sich gelohnt, denn die Frühwerke der Kraaniche gehören sicherlich zum Besten aus dem Fusion / Art Rock Bereich aus Deutschland aus jener Zeit. Nicht von ungefähr schrieb der englische Musikkritiker Barry Graves im Jahre 1974: "Kraan ist heute so gut wie Yes. Mit dieser Band befreit sich die deutsche Popmusik hoffentlich endgültig von dem Trauma, weltweit nicht Besseres als James Last oder Vicky bieten zu können". Im Gegensatz zum mehr improvisierten Charakter des Debüts, wirkt das zweite Album "Wintrup" wesentlich strukturierter, zugleich auch rockiger, vielleicht auch ein Grund dafür, dass keiner der Titel des Albums je auf einer Liveplatte landete. Flirrendes, teils hartes Gitarrenspiel steht mal im Einklang, mal im Gegensatz zu den mehr jazzigen Saxophonklängen, alles unterstützt von einer hervorragenden Rhythmustruppe. Aber wie immer bei Kraan finden sich auch Elemente aus anderen musikalischen Bereichen wieder. Sphärische Soundcollagen, treibende Rhythmen, egal ob Jazz oder Rock, Kraan kreierten ihren gerne von der englischsprachigen Presse als Krautrock betitelte Musik, mit hörbarem spielerischen Können, aber auch lässiger Leichtigkeit. Dennoch merkt man "Wintrup" an, dass Kraan hier noch auf der Suche eines eigenen Stils sind, noch nicht alles Gedachte auch perfekt ineinander greift. Mit "Andy Nogger" gelang 1974 nicht nur national, sondern auch international der Durchbruch, und der Klassiker "Nam Nam", sowie der Titelsong gehören auch heute immer noch zum Liverepertoire der Band. Auf diesem Album gelingt es dem Quartett erstmals Improvisation und durchdachte Struktur in Einklang zu bringen, hier auch noch verfeinert durch die ausgezeichnete Produktion von Conny Plank. Vor allem der groovende Bass von Hellmut Hattler, schafft einen wunderbaren Gegenpol zu den beiden melodieführenden und solistisch sich austobenden Saxophon und Gitarre. Dieses Album rockt, ohne auf freies Spiel verzichten zu müssen, bietet abwechslungsreiche Arrangements, die aber dennoch locker und nie zu kopflastig wirken. Auf dem Nachfolger "Let it out" ist erstmals Keyboarder Ingo Bischof mit von der Partie und es blieb auch die einzige Platte, auf der Kraan als Quintett mit der Doppelbesetzung Saxophon und Keyboards spielten. Die Platte wirkt noch ausgereifter, vom Klangbild wesentlich internationaler, was sicherlich auch an den sehr relaxten Nummern wie z.B. "Degado" oder "Prima Klima" liegt, auf der sich die Band zurücknimmt und sich einfach von langsamen Rhythmen treiben lässt. Die Soli sind wesentlich melodischer, zwar immer noch verspielt, aber deutlich der Songentwicklung untergeordnet. Diese Art "zurückgenommene Improvisation" sollte sich in den darauffolgenden Jahr noch vermehrt auf den Scheiben von Kraan finden, "Let it out" ist somit der Übergang einer leicht geänderten musikalischen Ausrichtung - vielleicht auch ein Grund warum Saxophonist Johannes Pappert die Band nach der Veröffentlichung des Longplayers verließ. Nichtsdestotrotz ein wirklich prima Album. Zudem erschien kürzlich mit "Berliner Ring" noch das letzte fehlende Kraan Album der Bandhistorie auf CD. Im Untertitel von "Berliner Ring" wird schon klar, um was es sich hier handelt, nämlich "Exotic & unrleased 80ies material". Dementsprechend schwankt auch die Qualität zwischen richtig guten Nummern und eher belanglosem Material für Komplettisten. Gerade der Einfluss der NDW, Anfang der 80er, wie auch Rock und Pop Versatzstücke, die den Fusion / Jazz Rock von Kraan eher verwässern denn bereichern, führen zwar stellenweise zu durchaus interessanten Ergebnissen, doch bei weitem wird nicht die Qualität der 70er erreicht. Immerhin bekommt man auf einigen Livetiteln, die wirkliche Stärke, der gerade in den 80ern in immer wechselnden Besetzungen agierenden Band, dokumentiert. Als Extra Bonus Trash Tracks gibt's auch noch ein paar Liveaufnahmen aus dem Zuschauerraum. Mehr ein Sammlerstück.

Kristian Selm



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