CD Kritik Progressive Newsletter Nr.37 (11/2001)
Rascal Reporters - The foul-tempered clavier
(62:20, Pleasant Green Records, 2001)
Seit 1974 gibt es die Rascal Reporters. Das Avantgarde-Duo Steve Gore und Steve Kretzmer hat seine außergewöhnlichen Ideen unter anderem mit Fred Frith, Nick Didkowsky (Dr. Nerve), Dave Kerman (5uuïs) oder Guy Segers (Univers Zero) intoniert. Das neue Album "The foul-tempered clavier" wurde im letzten Jahr unter Mithilfe von Dave Newhouse (Muffins) eingespielt. Zusätzlich gibt es 4 bisher nicht veröffentlichte Bonustracks aus den Jahren 1977/78. Gore und Kretzmer selbst meinen, dies sei der komplexeste Progressive Rock, den man sich nur vorstellen mag. Die Aussage in allen Ehren, muss ich festhalten, dass beide Herren einen ausgeprägten Sinn für schwarzen und sonstigen Humor haben, mit dem sie nicht nur irgendwelche Aussagen zu ihrer Musik, sondern auch die Musik selbst füttern. Also: Progressive Rock? Ja! Aber wie! Stellt euch vor, Frank Zappa würde mit den Samla Mamas Manna zu Werke schreiten. Alle wären besonders gut drauf und der Inspiration könnte nicht mehr sein. Sie nehmen 12 Songs auf. Die werden von bösen Buben gestohlen, zerhackstückt, neu zusammengesetzt und mit wilden und obskuren Ideen verseucht. Wer Progressive Rock mit herkömmlichen Ohren begegnet (welch seltsamer Gedanke) wird sich fragen, was dieses Hin- und Herschieben von Noten bedeuten soll, dieses taktfreie Benutzen des Schlagzeuges, diese Melodiefetzen, diese absurden Rhythmuswechsel und jenseits guter Musizierkunst aufgebauten Songstrukturen. Nun, dem kann nur geholfen werden, wenn er seine Vorstellungen über Bord wirft und sich dieser kleinen Perlen hinterlistigen Humors und tonal/atonal arbeitender Expressionen völlig frei hingibt. Sicher, in irgendwelche Hitlisten der besten Progalben wird "The foul-tempered clavier" nicht kommen. Was sich hier an vielschichtigen Arrangements, in den zerfetzten Strukturen an bösartigen musikalischen Zitaten findet, ist so leicht in dieser hinreißenden Art anderswo nicht auszumachen. Mit Finesse und einem innigen Gespür für das Bloßstellen von Hörgewohnheiten arbeiten die beiden R.I.O. Avantgardisten abstrakte Stücke aus, die uns zugleich beschämen und verblüffen können. Die Bonustracks könnten von den Residents oder deren 70th Vorbild Frank Zappa (R.I.P.) stammen. Wes Geistes Kind die Racsal Reporters sind, ergibt sich nicht aus Songtexten (die es nicht gibt), sondern lediglich aus den angerissenen Daten zu den einzelnen Songs, die sich aus dem Booklet ergeben und der Musik an sich, die uns umkrempeln kann - wenn wir es nur zulassen.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2001