CD Kritik Progressive Newsletter Nr.37 (11/2001)

Nektar - The prodigal son
(54:02, Bellaphon, 2001)

Verheißungsvolle Vorankündigungen, erwartungsvolle Spannung und die Realität - Teil 2 dieser unendlichen Geschichte. Nach mehr als 20-jähriger Pause kehren Nektar wieder auf die Bildfläche und wie auch andere Rückkehrer müssen sie sich zum einen ihrer Vergangenheit stellen, zum anderen soll ihnen aber auch ein Neuanfang zugestanden werden. Bereits an diesen Worten kann man erkennen, dass es die Reunion von Nektar bei mir äußerst zwiespältige Reaktionen auslöst. Mit dem atmosphärischen Opener "Terminus" geht die Sache schon mal recht vielversprechend los, doch bereits der zweite Teil "Oh my" geht dann mehr in Richtung professionellen AOR / Melodic Rock und der von der Plattenfirma vollmundig angebrachte Aufkleber "File Under: Progressive Rock" bekommt bereits die ersten Kratzer. Doch was dann folgt sind souverän eingespielte Rocknummern, die mal ein bisschen Hard Rock, mal eine balladeske Melodie einstreuen, aber mit Progressive Rock rein gar nichts mehr zu tun haben. Roye Albrighton setzt seine Gitarre als führendes Instrument ein, unter dem die Rhythmusmannschaft lässig vor sich hin groovt. Doch was den Songs fehlt, ist irgend etwas Fesselndes bzw. Melodien, die über einen Wiedererkennungswert verfügen. So rotiert der Silberling fast so unbemerkt im Player vor sich hin, wie die Musik, die dazu aus den Boxen tönt. Doch hat auch "The prodigal son" durchaus seine spannenden Momente, wie z.B. der sich langsam steigernde, eher ruhige Titelsong, bei dem Stimmung und sinfonische Elemente die Prog Wurzeln zweifellos erkennen lassen und vor allem das sehr gefühlvolle Gitarrensolo dem Song die Tiefe verleiht, die man sonst über weite Strecken vermisst. Eine Rückkehr zu den frühen 70ern, in denen Scheiben wie "Remember the future" oder "Down to earth" Goldstatus erreichten, erwartete wohl niemand ernsthaft, aber etwas mehr Esprit hätte "The prodigal son" ruhig bieten können. So müssen sich Nektar leider Sätze, wie "nett, aber unauffällig" oder "gut gemeint, aber recht harmlos" anhören. Schade, schade, schade.

Kristian Selm



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