CD Kritik Progressive Newsletter Nr.37 (11/2001)

NDV - Karma
(64:28, Ear Candy, 2001)

Soloalben von Schlagzeugern? Um Himmels Willen, was außer sinnloses Getrommel soll denn da schon drauf sein? Doch halt, es gibt ja auch glücklicherweise einige Ausnahmen, zu denen Spock's Beard Trommler Nick D'Virgilio auf jeden Fall auch zählt. Bereits auf der Sommertour tönte als Aufwärmmusik diese Soloscheibe durch die Boxen und der damalige erste Eindruck bestätigt sich auf bei genauen Anhören dieses Albums: Nick D'Virgilio zeigt sich stilistisch sehr vielseitig, hier ist alles von intelligent gemachter Rockmusik, Balladen bis hin zu Progressive Rock Nummern vertreten. Zwar schimmert in kleineren Ansätzen Spock's Beard Feeling durch, dennoch ist "Karma" ein absolut eigenständiges Statement. Wer die Bärte live kennt, weiß, dass Nick D'Virigilo nicht nur ein ausgezeichneter Fellbearbeiter ist, sondern sich auch seine Sanges- und Gitarrenkünste durchaus hören lassen können. Daneben greift er auf "Karma" auch noch in den Bass und die Keyboards, hat sich zudem als Gäste u.a. Mike Keneally, Brian Beller und Ryo Okumoto ins Studio geholt. Insgesamt steht der erste Solostreich mehr in der Singer/Songwriter Tradition, welches jedoch fast das gesamte musikalische Spektrum der Musiker umfasst, mit denen der Amerikaner bisher zusammengearbeitet hat. Der über siebenminütige Opener "The river is wide" rockt richtig gut los, bringt aber auch Progressive und Fusion Ansätze locker unter, ist dabei aber dennoch einfacher als bei den Bärten gestrickt. Griffiger, aber insgesamt wesentlich unspektakulärer wirken soulige Nummern wie "Dream in red", die zwar die Songschreiberqualitäten Nick D'Virgilios unter Beweis stellen, aber eine Spur zu lässig, zu beliebig daherkommen. Dagegen klingen die traurigen Balladen wie z.B. "The waters edge" oder "Come what may" mit richtig viel Gefühl und Dramatik richtig überzeugend. Beim unveröffentlichten Kevin Gilbert Track "The game" übernahm der Solowerkler einfach die Originalspuren und fügte einige neue eigene hinzu, ohne das Stück damit zu zerstören und zu entweihen. Es ist wohl kein großer Zufall, dass auch andere Ideen sehr nach Kevin Gilbert klingen, trommelte doch Nick D'Virigilio bei dem viel zu früh verstorbenen Multitalent. Im Gesamteindruck bietet "Karma" nicht nur ein sehr breitgefächertes Spektrum, sondern kann auch musikalisch auf fast allen Ebenen überzeugen. Ein Album mit unüberhörbaren Spaßfaktor, was dennoch über Tiefe, Melancholie und reichlich Abwechslung verfügt - wenn vielleicht auch eine Spur straighter als für manchen verwertbar, dennoch: Experiment gelungen.

Kristian Selm



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