CD Kritik Progressive Newsletter Nr.37 (11/2001)
Eskalation - Different music for bassoon, wind synthesizer and sampled percussion
(47:13, Musea, 2000)
Stephan Köhr, Jahrgang 1957, studierte Fagott an der Hochschule für Musik und ist, nach einigen Jahren an der Mannheimer Oper, seit 1989 Mitglied des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters. Doch seine Vorliebe gilt nicht nur der Klassik, sondern auch der grenzüberschreitenden Musik, was hin bis hin zu Avantgarde, Jazz, elektronischer Musik und Fusion reicht. Zwar klingt sein CD Debüt vom Albumtitel her recht akademisch, bei längerem und vor allem genauen Hinhören, stellen sich aber seine zehn Kompositionen nicht unbedingt als reine auf dem Zeichenbrett konstruierte, kopflastige Musik heraus, sondern die Musik lebt und atmet. Trotz komplexer Takte und fordernder Klangmuster werden die Arrangements durch prägnante Rhythmen und manch verschrobene, aber dennoch packender Melodie zusammengehalten. Köhr, der über die Jahre die blasgesteuerte Live-Elektronik immer weiter verfeinert hat, sorgt mit seiner Mischung aus elektronischen Klängen, die mal hart, aber auch sehr sanft klingen können und weichen Fagott-Tönen, für Musik, die den Klängen von solch Bands wie Univers Zero oder Art Zoyd recht deutlich angelehnt sind, aber doch eigenständig wirkt. Der Schrägheitsgrad wurde nicht überdreht, sondern die innere Spannung bleibt in den Songs erhalten. So drohen sie zwar manchmal in sich zusammenzubrechen, halten aber dennoch den eigenen Gegensätzen statt. Und gerade, wenn es wieder mal recht heftig zur Sache geht, folgen beschwingte Melodien, Ausflüge in den Ethno-Bereich oder wirklich fantastische Synthesizerläufe in feinster Progressive Rock Tradition, die somit den Zuhörer Raum zum Atmen und Erholen lassen. Auch wenn mir gerade im Bereich der "neuen Musik" manche Bands doch eine Spur zu avantgardistisch, zu konfus und fordernd für meine Ohren erscheinen, so muss ich ehrlich eingestehen, dass bei Eskalation der Spagat zwischen Komplexität und Zugänglichkeit einen angenehme Symbiose eingegangen ist, die man auch mehrmals hintereinander mit offenen Ohren anhören kann. Keine leichte Kost, aber wer etwas forderndes, interessantes sucht, wird hier bestimmt fündig werden.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2001